Das Hümmling-Gymnasium Sögel nimmt die Herausforderung an
3. Juni 2024Sögel – „Hilf mir, es selbst zu tun…“ – Diesen Satz der Pädagogin Maria Montessori kennt man: Unsere Kinder lernen das Schuheanziehen, das alleinige Essen, kurz: alltägliche Schwierigkeiten eigenständig zu bewältigen. Doch irgendwie verliert sich dieser Anspruch im Laufe der Schullaufbahn. Immer lauter wird daher die Kritik an Schule, die Schüler*Innen würden nicht auf die Zukunft vorbereiten werden; sie würden zu verkopft an die kleinen und großen Probleme ihres Lebens herangehen oder sich mit den globalen Problemen überfordert fühlen.
Schule, so wie man sie bisher kennt, wird sich daher verändern müssen, damit sie Absolventen*Innen hervorbringt, die den Umgang mit den großen politischen, ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit meistern können. Unterstützt werden alle teilnehmenden Schulen, die sich diese Veränderung zum Ziel gesetzt haben, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
2015 fiel der Startschuss für das UNESCO-Weltaktionsprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) des BMBF. Die Lehr- und Bildungspläne stellen ein wesentliches Element zur Transformation des Bildungssystems dar. Daher werden auch am Hümmling-Gymnasium Sögel im Rahmen des Projekts die Gestaltungs- und Handlungskompetenzen in den Vordergrund gerückt, um das BNE-Konzept nicht bloß in theoretischer Hinsicht zu begreifen, sondern auch praktisch und selbstständig umzusetzen. Hier setzt das Hümmling-Gymnasium Sögel nun an und schafft ein neues Bewusstsein für schulische Bildung: Junge Menschen sollen dazu befähigt werden, die Zukunft zu gestalten, als Mitglieder der Generation, die für die Zukunft die Verantwortung trägt.
Nicht selten kann in der Gesellschaft beobachtet werden, dass Jugendliche eine konsumierende Persönlichkeit entwickeln. Sie reagieren nur noch auf ihre Umwelt und ihre Mitmenschen und sammeln kaum mehr eigenaktive Erfahrungen. Dies ist jedoch unumgänglich für eine erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung und so läuft nun eine Pilotphase mit Schüler*Innen des Hümmling-Gymnasiums an, die diese vor neue Herausforderungen stellen soll.
Als ein Baustein des BNE (Nationaler Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung) – Konstrukts des Modellprojekt Zukunftschule wird das Fach Herausforderung schon von über 80 Schulen in Deutschland umgesetzt. Im letzten Jahr besuchten engagierte Lehrkräfte der Arbeitsgruppe „Zukunft Schule“ des Hümmling-Gymnasiums das Evangelische Gymnasium Nordhorn, das bereits über Erfahrungen mit dem Projekt Herausforderungen verfügt. Daraus entwickelten diese ein für das Hümmling-Gymnasium Sögel passendes Konzept. Dieses wird nun im Schuljahr 2023/24 von interessierten Schüler*Innen innerhalb einer AG als Pilotphase erprobt, es soll Strategiearbeit und eigenaktives Lernen in den Fokus rücken.
Sie durchlaufen im Laufe des Schuljahrs darin übergeordneten Phasen, wie Inspiration für die eigene Herausforderung, Vorbereitung und Planung sowie Präsentation, Umsetzung der Herausforderung, Reflexion und den Transfer. Die Wahl der Themen ist dabei mannigfach: Neben dem Einsatz für Klima-/Tier- und Naturschutz kann Kultur als solche geschaffen werden; auch Hilfe für Menschen in Not, die Unterstützung anderer Generationen oder das Engagement für den Frieden stellen denkbare Motive dar. Die Schüler*Innen treffen Entscheidungen innerhalb des Projektes „Herausforderung“ selbstständig. Für sie gilt es im Prozess zu überlegen: Was ist für mich selbst eine wirkliche Herausforderung, was bringt mich an meine Grenzen? Welches ideelle und örtliche Ziel hat meine Herausforderung? Wie hilft sie der Gesellschaft in ökologischer, ökonomischer oder sozialer Hinsicht?
Diese wie auch immer geartete Herausforderung gilt es für die Schüler*Innen in fünf Tagen zu bewältigen; dabei müssen sie nicht nur das ideell gesetzte Ziel erreichen, sondern sich auch im Vorfeld intensiv Gedanken über ganz alltägliche Abläufe machen, die ihnen i.d.R. abgenommen werden: Speise-, Reise- und Budgetpläne müssen erstellt und sozial-emotionale Softskills geschult und als Team erarbeitet werden. Die detaillierte Planung wird vor Antritt der Herausforderung einer Jury aus Lehrern, Schulleitung, Eltern und der Schülervertretung präsentiert, die entscheidet, ob die Herausforderung angetreten werden darf. Die Präsentation wurde in den Räumlichkeiten des Gymnasiums vorgestellt. Ist die Genehmigung durch das Gremium erfolgt, sind die Schüler*Innen während ihrer Herausforderung aber natürlich nicht vollkommen auf sich allein gestellt; sie werden von Coaches (Lehramtsstudenten, Pädagogen, etc.) begleitet, die sich jedoch nur in grenzwertigen bzw. gefährlichen Situationen einmischen sollen.
Wenn wir die zukünftigen Probleme (Veränderung des Arbeitsmarktes, Demokratie in Gefahr, Klimawandel, etc.) als große Herausforderungen unserer Zeit betrachten und die Schüler*Innen ihnen irgendwann begegnen werden, benötigen sie Fähigkeiten und Fertigkeiten, um sie zu meistern. Eine Hilfestellung, die wir ihnen heute schon mitgeben können, sind freie Räume, in denen sie aktiv mit Schwierigkeiten in Berührung kommen. Oftmals sind dies Erfahrungen, die Schülerinnen und Schüler erst nach dem Abitur machen, z.B. in einem Freien Sozialen Jahr, Work-And-Travel oder eben erst, wenn sie mit beiden Beinen im Berufsleben stehen. Der Umgang mit Herausforderungen, Scheitern und Problemen formt nicht nur starke Persönlichkeiten, sondern gibt Lösungs- und Strategieansätze vor, die ihnen vor allem im Berufsleben später zugutekommen werden.
Wir sind gespannt, welchen Herausforderungen sich unsere Schülerinnen und Schüler stellen werden.
Text: Antonia Velden