Vier neue Stolpersteine für die Familie Jacobs
12. Juni 2022Sögel – Einen erneuten Ort der Erinnerung für deportierte und ermordete Juden der Familie Jacobs gibt es nun Am Pohlkamp 12 in Sögel. Schüler und Schülerinnen der Klasse 10 des Hümmling-Gymnasiums und des 7. u. 8. Jahrgangs der Erich-Kästner-Schule gingen in Begleitung ihrer LehrerInnen zu der einstigen Wohnstätte der Familie Jacobs. Sie hielten Blumen in den Händen und vier von ihnen ganz behutsam die Stolpersteine. „Seit 2011 werden in Sögel Stolpersteine verlegt. Nur, wenn es uns gelingt, die Erinnerung an das Leben und Sterben während der Kriege und unter der Gewaltherrschaft wach zu halten, werden wir in der Lage sein, den Wert des Lebens und die Notwendigkeit des friedlichen Zusammenwirkens der Menschen zu erkennen“, sagte Bürgermeister Günther Wucherpfennig in seiner Begrüßungsrede. Unter den vielen Anwesenden waren auch Nachkommen der Sögeler Holocaust-Überlebenden Louis Grünberg und Arthur de Haas. „Louis Grünberg wäre am 09. Mai dieses Jahres 100 Jahre alt geworden“, berichtete Wucherpfennig und verwies auf die von SchülerInnen der Klasse 4c der Bernhard-Schule angefertigte Ehrentafel für den Holocaust-Überlebenden, die am Tag zuvor auf den Platz der ehemaligen Synagoge aufgestellt worden war. Für Sohn Michael Grünberg, der Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Osnabrück ist, war es ein bewegender Moment, als er ans Mikro trat und vom Schicksal der jüdischen Familien in Sögel berichtete, zu denen auch seine Familie gehörte. „Hier geht es auch um meine eigene Familie und das ist eine ganz besondere Situation für mich. Ich bin dankbar, dass so viele junge Menschen da sind, denn man erreicht nur etwas durch die Tatsache, dass die Stolpersteinverlegung etwas mit euch macht“. In Sögel haben nach Grünbergs Angaben in den 1935er Jahren ca. 100 jüdische Bürger gelebt, 80 Stolpersteine müssten insgesamt verlegt werden, was bedeutet, dass 80 Prozent der jüdischen Bevölkerung ermordet wurden. Seine Schwiegermutter Erna de Vries sei im letzten Jahr im Alter von 98 Jahren in Lathen verstorben. Auch in Werlte gäbe es keine Juden mehr. Bis auf seinen Vater sei seine Familie komplett ausgelöscht worden. Ebenso die Familie Jacobs, „die hier Am Pohlkamp direkt neben dem Elternhaus meines Vaters lebte. Hitler hat sein Ziel erreicht, diese Region judenfrei zu machen. Die Menschen wurden ermordet, weil sie Juden waren“, betonte Grünberg und lenkte seinen Blick auf den Krieg in der Ukraine mit den beeindruckenden Worten: „Wir haben nur diese eine Welt, in der wir leben, wir haben auch nur die Leute, die hier auf der Welt leben und unsere Partner sind. Also sind wir dran, das friedlich zu machen. Ich hoffe inständig, dass uns das gelingt“.
Nachdem Theo Krallmann vom Sögeler Bauhof die Stolpersteine für Josef, Meyer, Minkel Minna und Emma Jacobs sorgsam in das Pflaster eingelassen hatte, legten die SchülerInnen des Hümmling-Gymnasiums Blumen an den Gedenktafeln ab. Dabei erwähnte ein Schüler: „Wir erinnern uns heute an ehemalige Bürger der Gemeinde Sögel, die von Deutschen verraten wurden. Nie wieder darf so etwas passieren. Nie dürfen wir sie vergessen“. Die Schüler und Schülerinnen des Hümmlings-Gymnasiums und der Erich-Kästner-Schule hatten sich im Vorfeld mit der historischen Aufarbeitung in der Geschichts- und Zukunftswerkstatt zum Thema Holocaust befasst. Der Verein Forum e.V., der seinen Beitrag zu einer zukunftsorientierten Erinnerungskultur leistet und mit den Sögeler Schulen kooperiert, hatte direkt neben den Stolpersteinen ein großes Friedenszeichen entworfen, das die Schüler und Schülerinnen der Erich-Kästner-Schule mit Blumen bestückten und mit einer blau-gelben Schleife versahen. Dem schloss sich Schulleiterin Karin Abeln an mit den Worten: „Alles ist nichts ohne Frieden“.
Text/Foto: Gisela Arling