„Die Arbeit im Wald ist Hobby und Leidenschaft“

4. Mai 2022

90-jähriger Theo Gerdes ist seit 65 Jahren im Forst tätig

Ehrung für ehrenamtliche Arbeit

Sögel – An fünf Tagen in der Woche ist es ein gewohntes Bild in Sögel: Der mittlerweile 90-jährige Theo Gerdes fährt morgens gegen 8 Uhr mit seinem 95-PS-starken Fendt-Trecker und Anhänger in den Wald zur Durchforstung oder Beseitigung von Sturmschäden.

„Die Arbeit im Wald war früher mein Beruf und ist bis heute mein Hobby und meine Leidenschaft geblieben“, erklärt uns Gerdes in einem Gespräch, das er mit dem Verfasser dieser Zeilen im besten Plattdeutsch führt. Neben Familie, Beruf und Waldarbeiter waren die Pferdezucht und die Übernahme vieler ehrenamtlicher Aufgaben dem gelernten Landwirt stets wichtige Lebensinhalte.

Der 1932 Geborene erlebte in seiner Jugendzeit nicht nur die Auswirkungen des NS-Regimes sondern als 13-jähriger auch die schrecklichen Ereignisse zum Kriegsende. In unserer Zeitung und in Beiträgen des vom Forum herausgegebenen Heftes „Informationen für Sögel und Umgebung“ schilderte Gerdes zusammen mit Hans Grote detailliert, wie Teile von Sögel in wenigen Tagen in Schutt und Asche gelegt wurde. Dabei wurden viele Menschen getötet, schwer verletzt und verloren, wie Familie Gerdes, ihr ganzes Hab und Gut.

„Wir konnten unser Haus zunächst in den Trümmern gar nicht wiederfinden“, erinnerte er sich. Man fand schließlich die gesprengten und ausbrannten Hofgebäude. Im Garten fand man lediglich noch ein Kalb und Hühner. Man hatte kaum etwas zum Anziehen behalten können. Die Kühe in der Weide überlebten. „Wir konnten melken, hatten aber keine Tasse, um die Milch zu trinken“, ergänzte Gerdes damals.

Nachdem man mühsam die Hofstelle wieder aufgebaut hatte, erlernte Theo Gerdes nach dem zweiten Weltkrieg den Beruf des Landwirts und bewirtschaftete zusammen mit seinen Eltern und der Oma den rund zehn Hektar umfassenden Betrieb, der zwei Pferde, vier Kühe, fünf Rinder, drei Zuchtsauen und 20 Mastschweine halten konnte. Das war zu wenig, um auf Dauer über die Runden zu kommen, so dass Sohn Theo am 1. Dezember 1956 den Dienst als Forstarbeiter im Forstdienstbezirk (FDB) Clemenswerth beim damaligen Revierförster Kurt Anton antrat. Später wurde der Bezirk mit dem FDB Werlte zusammengelegt und von den Förstern Wiesmann und Suhl geleitet, wie im „Arenberg-Blatt“, dem Mitteilungsblatt der Arenberg-Meppen GmbH, anlässlich des 90-Geburtstages von Gerdes zu lesen ist. Wie Gerdes berichtete, gehörte der Einschlag von Bau- und Grubenholz zu den Hauptaufgaben der „Höltkers“ auf der rund 1.000 Hektar großen Forstfläche. Während das Grubenholz, das unter anderem für eine Gladbacher Zeche bestimmt war, im Sommer geschlagen wurde, befasste man sich im Herbst mit dem Bauholz, da es dann nicht mehr so stark „im Saft“ stand und weniger Harz aufwies, erklärte Gerdes. Der Holztransport erfolgte größtenteils über die Hümmlinger Kreisbahn, die an der Sprakeler Straße einen Holzbahnhof unterhielt. Auch das bekannte Sögeler Holzfuhrunternehmen Möhlenkamp wurde ebenfalls beauftragt. Ein Teil des Holzes übernahm das Lathener Holzbauunternehmen Schmees.

Die Länge der Stämme wurde damals noch in „Fuß“ angegeben. Die Tätigkeit im Forst war harte körperliche Arbeit, die teilweise auch im Akkord geleistet wurde, betonte Gerdes. Durch die Akkordarbeit habe man allerdings auch gute Verdienstmöglichkeiten gehabt. Die Bäume wurden mit der Handsäge geschnitten und mit der Axt bearbeitet. Dabei war die sogenannter Hobelzahnsäge ein fortschrittliches Hilfsmittel ab Mitte der 1950er Jahre. In den 1960er Jahren wurde die technische Ausstattung und damit auch die Leistungsfähigkeit mit der Einführung der Zweimann-Motorsäge wesentlich verbessert. Die Kettensäge hatte an der Spitze des Schwertes einen weiteren Haltegriff. „Wer an Theo Gerdes im Wald denkt, verbindet seine Arbeit vor allem auch mit dem Holzrücken mit Pferden“, schreibt Förster Gerd Heyen. 1972 kam der erste Allradtrecker neben zwei Pferden zum Einsatz.

Der wesentliche berufliche Einschnitt und gleichzeitige Herausforderung sei der Orkan vom 13. November 1972 gewesen, heißt es weiter im Arenberg-Blatt. Die Aufarbeitung des Sturmholzes und die Wiederaufforstung der Kahlflächen, die er jahrelang gepflegt hatte, mit mehreren Millionen Jungpflanzen, gehörten zu den Aufgaben von Theo Gerdes und seinen Kollegen. Da diese Aufarbeitung der riesigen Holzmengen mit eigenen Mittel nicht zu leisten waren, kamen die ersten Harvester aus Schweden zum Einsatz. Einige Zeit war Gerdes auch in Dörpen im Einsatz, als Arenberger Forstflächen für den Neubau der Nordland-Papierfabrik gerodet werden mussten.

Neben der Holzbearbeitung kümmerten sich die „Höltkers“ auch um die Kulturpflege der Waldflächen- und Wege, unter anderem auch, um sie für die Jagdwirtschaft in einem guten Zustand zu halten. Das „Problem mit den Borkenkäfern“ hatte man auch schon Ende der 1950er Jahre, erzählte Gerdes. Zwar sei der Befall nicht so stark gewesen wie momentan, aber aufgrund der Ausbreitungsgefahr habe man eine spezielle Art der Bekämpfung durchgeführt. Dafür wurden einige – Bäume gefällt und in der Rinde liegen und faulen lassen, bis genügend Borkenkäfer von dem Fäulnisduft angezogen worden waren. Dann wurde der Stamm samt Käfer entsorgt.

Nach 35-jähriger Tätigkeit für Arenberg wurde Gerdes 1991 verabschiedet. „Es war eine gute Zeit im Arenberg- Forst, resümierte Gerdes und hob hervor, dass man stets gut behandelt worden sei und die größtmögliche Freiheit bei der Bewältigung der harten Arbeit hatte. Dass auch die Mitarbeiter ihrem Kollegen vertrauten, machte die Wahl Gerdes in den Betriebsrat deutlich.

Aber die seine Verbundenheit mit der Waldarbeit endete nicht mit der Verabschiedung. Auch gute 30 Jahre später ist Gerdes stets Wald zu finden, wo er hauptsächlich für Privatwaldbesitzer Durchforstungen durchführt und Sturmschäden beseitigt. Die „Nachfrage“ sei so groß, dass er keine Zeit zum Aufhören habe. Wenn man nach dem letzten Sturm, der auch in Sögel sehr große Schäden verursacht hat, mit Waldbesitzer spricht, hört man oftmals: „Dor maut Gerdes Theo ran“.


Als wir Gerdes während seiner Arbeit im Wald besuchten, war zu beobachten, wie behände und zügig der 90-jährige einen Baum fällen kann, ihn ruckzuck entastet auf die geforderten Längen von fünf, beziehungsweise zweieinhalb Meter zuschneidet. Dabei soll die Zopfstärke mindestens 18 bei den langen Enden und 16 Zentimeter bei den kurzen Enden betragen. Ein „mitlaufendes“ Maßband und die große Schieblehre sind dabei wichtige Hilfsmittel. Normalerweise stehen ihm zwei Kettensäge zur Verfügung. Leider habe man ihm kürzlich während der Waldarbeit eine Säge vom Wagen geklaut. Das geschlagene Holz, das ein Forstarbeiter aus Spahnharrenstätte „rückt“, wird unter anderem als Bauholz weiterverarbeitet. Die restlichen Stücke und Krummholz gehen in den Spanplattenfertigung. An „guten Tagen“ seiner Fünftagewoche schaffe er zehn Festmeter, so Gerdes, der immer wieder zum Ausdruck bringt, wie gerne er diese Arbeit in der freien Natur immer noch macht und gar nicht ans Aufhören denken mag. Er sei bis auf einen Fall von Unfällen verschont geblieben, auch deswegen, weil er neben der Erfahrung auch Übersicht und Fachkenntnisse in seine Arbeit einfließen lassen könne.  Wer sich mit dem stets freundlichen Forstexperten unterhält, erfährt sehr viel Fachliches zum Thema Waldpflege und Waldwirtschaft, so dass die Zeit kurzweilig wird.  Am 29. März schafft Gerdes sein Pensum allerdings nicht. Schließlich musste er seine Gäste zum 90. Geburtstag betreuen. Das Familienleben ist im sehr wichtig, und Gerdes freut sich über das gute Miteinander mit seinen drei Kindern, den sechs Enkelkindern und den Angehörigen.

Zum Tagesablauf gehört aber nicht nur die Fahrt in den Wald. Morgens steht der 90-jährige um 6.30 Uhr auf. Nach dem Frühstück versorgt er zunächst noch zehn Pferde. Die Pferdezucht- und der Reitsport sind weitere Leidenschaften des Altersjubilars. Dem Reitverein Sögel gehört der Pferdefreund seit 1948 an nahm zehn Jahre lang als Springreiter an Turnieren teil. Das vielfältige ehrenamtliche Engagement von Theo Gerdes wurde mit der Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik gewürdigt.

Mehr 26 Jahr war Gerdes in einem schwieriges Umfeld Vorsitzender der Flurbereinigung Sögel, 32 Jahr gehörte er dem Kirchenvorstand und 25 Jahre dem Vorstand des Unterhaltungsverbandes 100 Nordradde an. Für die Verantwortlichen der Gemeinde Sögel war und ist Gerdes stets ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es Besonderheiten bei Land- und Waldflächen geht. „Theo Gerdes kennt jeden Busch in Sögel“, hieß es mal aus dem Rathaus.

An fünf Vormittagen in der Woche ist bei dem 90-jährigen Theo Gerdes Waldarbeit angesagt. Behände geht er mit der Kettensäge um und fällt und bearbeitet die Bäume. Mit Maßband und Schieblehre werden die Bäume gemessen und dann geschnitten.
Mit Trecker und Wagen geht es in den Wald.
Der Baum muss weg: auf Grund des Befalls mit Rotfäule ist dieser Baum gefährdet.

Lesen Sie an dieser Stelle und im nächsten Heft die Fortsetzung des Berichts, liebe Leser*innen.

Text und Fotos: Lambert Brand

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