Senegambien – Teil 2
5. Juli 2021Gambia ist nicht mehr weit. Man muss es durchqueren, um in die südlich sich anschließende Senegalprovinz Casamance zu gelangen. Sie wird mehr vom Regen verwöhnt als der trockene Norden. Überall sprießen dichtes Grün und feuchttropische Vegetation. Im Brackwasser des Flusses Casamance wuchern riesige Mangrovenfelder. Sie bedecken die Küstenregion bis zum Cap Skirring an der Grenze zu Guinea-Bissau, dem früheren portugiesisch Guinea. Nahebei findet man ein animistisches Dorf mit zweistöckigen Lehmhäusern. Sie übertreffen in ihrer Größe die üblichen Lehmhütten. Ein kleines Museum gibt Auskunft über die Macht der Geister und Fetische. Auf der Straße feiert man den Tag der Frau mit einem animistischen Maskentanz. In einem Wäldchen wird man von einem König empfangen. Er ist so etwas wie ein Schiedsrichter für mehrere Dörfer. Der Unterzeichner erhält Audienz von seiner Majestät vor der recht schlichten königlichen Behausung. Der König erscheint würdevoll und mit unbewegter Miene in rotem Ornat. Fragen richtet man an den königlichen Adjudanten, der sie seinem Herren ins Ohr flüstert. Der König antwortet dem Adjudanten leise. Man erfährt die königliche Antwort aus dem Munde des Adjudanten. Erstaunlicherweise zieht der König mit angedeutetem Lächeln den Unterzeichner, der gebührenden Abstand wahren wollte, mit der Hand für ein Bild an seine Seite. Auch sein Adjudant scheint verblüfft zu sein. Der Unterzeichner kann sich diese Gunst nur damit erklären, dass er auf Französich den König als „Sire“ betitelt hat, also mit der früheren Anrede für französische Könige.
Die Grenze mit Gambia ist schnell erreicht. Es erstreckt sich wie ein Wurm gut 300 km entlang dem gleichnamigen Fluss in den Senegal hinein. In Zentralgambia nördlich des Flusses wartet in der Savanne ein Weltkulturerbe: die Steinkreise von Wassu. Sie stammen vermutlich aus der Zeit um 800 n. Chr. Ihre Erbauer sind bisher unbekannt. Die Kreise könnten Gräber oder Ehrenmale für hochgestellte Personen sein. Es handelt sich um kreisförmig angeordnete Stelen aus Diorit von 1 bis 2,5 m Höhe mit einem Gewicht bis zu 10 t. Solche Steinkreise gibt es noch an weiteren Stellen Gambias, im angrenzenden Senegal und in Nachbarstaaten. Die Stelen belegen, dass die Megalith(Großstein)kultur von Nordeuropa über das Mittelmeer bis Westafrika reichte.
Bei einer Fahrt mit einem Schiff, das der Augsburger Puppenkiste entlehnt sein könnte, faszinieren die mit dichtem Urwald überwucherten Ufer des Gambia. Man wartet nur auf Tarzan. Stattdessen erspäht man im dichten Wald einer Insel eine Schimpansin mit Jungem. Die Affen werden hier auf eine Auswilderung irgendwo vorbereitet. Auf einer weiteren Insel erstreckt sich Janjanbureh, die frühere erste Hauptstadt Georgetown von britisch Gambia. Hier lag ein Sammelpunkt für Sklaven aus dem Landesinneren geschützt durch ein kleines Fort. In einem Sklavenhaus hielt man die armen Menschen unter erbärmlichen Bedingungen gefangen. Eine Besonderheit hatten sich die Bewacher ausgedacht. Wer fliehen konnte und einen sogen. Freiheitsbaum erreichte, wurde freigelassen.
Später verlegten die Briten ihre Hauptstadt ans Südufer der Mündung des Gambia. Es entstand die heutige Landeshauptstadt Banjul (früher Bathurst). Von dort überquert man per Schiff die riesige Flussmündung und erreicht nach gut zwei Stunden das Dorf Albreda am Nordufer. Hier hat wahrscheinlich Kunta Kinteh gelebt. Er wurde im 18. Jahrhundert als Sklave nach Nordamerika verschleppt. Sein Schicksal hat der Schriftsteller Alex Haley in dem Buch „Roots“ festgehalten. Eine Fernsehserie machte Kunta Kinteh weltberühmt. Heute kann man in Albreda noch mit Nachfahren von ihm sprechen. – Von Albreda fährt man zu einer winzigen Insel mit dem Namen Kunta Kinteh. Sie wird von einem britischen kleinen Fort mit finsterem Sklavenkeller eingenommen. Von dort aus wurden die Sklaven nach Amerika verschifft. – Vor Ort erfährt der Unterzeichner eine fast kuriose historische Randnotiz. Das Inselchen verkaufte Mitte des 17. Jahrhunderts der Häuptling Niumi Mansa an einen Deutschen, an den Herzog von Kurland. Nach einigen Jahren bemächtigten sich zunächst die Holländer, dann die Briten der Insel.
Banjul selbst wirkt im Vergleich zu Dakar provinziell. Südlich liegen schöne Sandstrände, etwas flussaufwärts dichter Mangrovendschungel, über die Hauptstraße Banjuls spannt sich ein protziger Triumphbogen, ein kleines Völkerkundemuseum, ein verstaubtes Nationalmuseum und lebendige bunte Märkte runden die Sehenswürdigkeiten ab. Dazu gesellt sich noch ein Tümpel mit ca. 100 heiligen Krokodilen. Sie werden von Einheimischen mit irgendwelchen Problemen besucht. Der Unterzeichner hat auch ein Problem. Es besteht darin, dass er beim Spaziergang um den See ständig von vielen der Panzerechsen unerfreulich dicht umlagert ist. Er kann jedoch intakt nach Haus fliegen.
Text/Bilder: UM