Ex-post-factum-Vorhersagen

1. Februar 2021

Was ist das? Hört sich wichtig an. Ist aber blühender Unsinn, der im Gewand wissenschaftslogischer Begrifflichkeit daherkommt. Denn es bedeutet, dass man eine Vorhersage über ein Ereignis trifft, nachdem dies eingetreten ist.

Eine vergleichbare Rosstäuscherei liest und hört man heute allerorten. Viele Menschen wissen heute, wie man die Corona-Pandemie besser hätte bekämpfen, wann und wo man Impfstoffe hätte bestellen und wie man eine Impfinfrastruktur hätte herstellen müssen.

Das zeigt dem Unterzeichner, dass diese Besserwisser die Problematik nicht nur nicht besser erfasst, sondern sie überhaupt nicht begriffen haben. Eine weltweite Pandemie mit einem Virus, das sich rasend weiter verbreitet, hat es seit der Spanischen Grippe gegen Ende des Ersten Weltkriegs nicht gegeben. Das neuartige Coronavirus musste erst erforscht werden. Heute wirft es noch viele Fragen auf, obwohl eine internationale Wissenschaftlerelite an der Entschlüsselung arbeitet. Wie lassen sich seine Folgen bekämpfen? Bleibt man nach einer Erkrankung immun? Wie lange wirkt ein Impfstoff? Muss sich das Virus erst „austoben“, um eine sogenannte Herdenimmunität herzustellen, oder gelingt dies mit Impfstoffen? Wann gibt es wirksame Impfstoffe? Wie lässt sich eine Massenimpfung bewerkstelligen? Ist ein völliger Lockdown besser als ein partieller? – Die Menge der Fragen ließe sich noch lange fortsetzen. Die Besserwisser kennen bestimmt die Antworten oder meinen dies zumindest.

Der Unterzeichner kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele der Besserwisser eine negativistische Persönlichkeitsstruktur haben. Sie können nur das Negative sehen und verschließen die Augen vor dem Positiven.

Die neue Entwicklung eines Impfstoffs dauert normalerweise Jahre. Wer hätte gedacht, dass in weniger als einem Jahr mehrere Impfstoffe geschaffen werden. Bei ihrer Bestellung konnte niemand wissen, welcher als erster anwendungsreif ist. So war es richtig, bei mehreren Produzenten zu bestellen. Hätte Deutschland nur für sich bestellt nach dem Trumpschen Motto „America (hier: Germany) first“, so hätten ärmere europäische Länder das Nachsehen gehabt, und die Angelegenheit wäre evtl. nach dem Brexit ein weiterer „Sargnagel“ für die EU geworden. Der Unterzeichner findet es erstaunlich, dass binnen weniger Monate Impfzentren landesweit erstellt und in Heimen mit großflächigen Impfungen begonnen wurde. Die Leistungen von Krankenhauspersonal und Heimen sind phänomenal. Das Gleiche gilt dafür, wie viele Intensivbetten in kurzer Zeit geschaffen wurden. Zumindest auf dem Lande ist das Tragen von Masken und Abstandhalten selbstverständlich. Es gibt noch vieles andere Unerwartete festzustellen, wie zum Beispiel das bei allen Unzulänglichkeiten Umstellen des Unterrichts in den Schulen, Elternarbeit, Verkaufspersonal u. a. m.

Natürlich musste es bei der Bewältigung einer Mammutaufgabe wie der Pandemie an einigen Stellen knirschen. Aber die Hoffnung auf eine einfache und schnelle Lösung mag unserem in der wissenschaftlichen Zivilisation entwickelten Glauben entsprechen, alle Probleme seien schnell zu lösen, wenn man nur das Richtige tue. Für ein so komplexes Problem wie die Pandemie existiert jedoch keine einfache und schnelle richtige Lösung. Man kann sich an sie nur herantasten in kleinen Schritten in die Richtung, die der jeweilige Wissensstand vorgibt. Wer etwas anderes behauptet, ist – mit Verlaub – ein Klugscheißer.

Text/Bild: UM

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