Neue Erkenntnisse: Sögeler Juden Georg und Willi Frank überlebten Holocaust

20. Dezember 2020

In der Gemeinde Sögel lebten in der Zeit vor der Machtübernahme durch das NS-Regime zahlreiche jüdische Familien. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wurden sie während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft deportiert und in den Konzentrationslagern ermordet. Was bis vor wenigen Monaten nicht bekannt war: Georg Frank, für den bereits 2013 ein Stolperstein als Erinnerung verlegt wurde, und sein Bruder Willi überlebten den Holocaust.

Diese neuen Erkenntnisse verdankt man laut Bürgermeisterin Irmgard Welling dem gebürtigen Haselünner und heute in Bielefeld lebenden Bernhard Weßling-Schregel. In einem Brief an die Gemeinde berichtete er, dass er und seine Ehefrau während des Urlaubs in Colmar/Elsass im Herbst 2019 mit einer Dame ins Gespräch gekommen zu sein, die „Deutsch mit französischem Einschlag“ sprach.

Die Gesprächspartnerin war, wie sich herausstellte, Catherine Allouche. Sie erzählte den Eheleuten Weßling-Schregel, nach dem Krieg mit ihrem Vater Georg einmal in Sögel gewesen zu sein. Georg Frank stamme vor dort und sei als Jude während der Nazizeit verfolgt worden. Weßling-Schregel recherchierte dann im Internet und stieß auf den Namen „Frank“ im Zusammenhang mit der Verlegung von Stolpersteinen im Jahre 2013. Er wandte sich dann an die Gemeinde und bat um Unterstützung. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste niemand in Sögel, dass Georg Frank den Holocaust überlebt hatte. Irmgard Welling, die sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit dem Gedenken an die Jüdische Gemeinde in Sögel befasst hat und bei mehreren Gedenkveranstaltungen mit Schülern mitgewirkt hat, nahm Kontakt zu Georg Franks Tochter Catherine Allouche auf und vereinbarte ein gemeinsames Treffen im Elsass. Dabei sollte auch die Teilnahme an der geplanten Veranstaltung mit Schülern des Hümmling-Gymnasiums zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9.11.1938 abgestimmt werden. Die Französin wollte von den schrecklichen Erlebnissen und dem weiteren Lebensweg ihres Vaters berichten. Leider seien sowohl der Besuch im Elsass als auch die Schulveranstaltung der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. 

Irmgard Welling und Catherine Allouche haben in der letzten Zeit viel miteinander  korrespondiert. Die Bürgermeisterin, der es wichtig ist, dass die Bevölkerung mehr über die Geschichte des Georg Frank erfährt, fasst ihre Informationen zusammen: Georg Frank wurde aus dem KZ Ausschwitz befreit und von amerikanischen Soldaten zur französischen Grenze gebracht. Mit dem Zug ist er dann weiter nach Colmar im Elsass gereist und kam dann bei seinem Onkel Ebstein, der einen Stoffladen führte, unter. Ihr Vater habe wenig vom KZ gesprochen.1960 hätte sie als Zehnjährige zusammen mit ihrem Vater Sögel besucht. Aus ihrer Geschichte ist zu entnehmen, dass sie vermutlich  im Hotel Kossen übernachtet haben. Trotz ihres Besuches hat niemand in Sögel registriert, dass ein weiterer Sögeler den Holocaust in Ausschwitz überlebt hat.

Familie Frank wohnte im Haus Nr. 91. (Heute Amtstrasse 8)

Die Familie des Großvaters Sally Salomon lebte vom Viehhandel. Regelmäßig fuhr er nach Lingen zur Viehauktion. Sie hatte auch Viehweiden in Sögel, die vom NS-Regime enteignet wurden. 

Vor sieben Jahren vorher hat Sögel in einer Gedenkfeier an ihren Vater Georg Frank gedacht und am 8.05.2013 mit dem  Künstler Gunter Demnig einen Stolperstein für ihn verlegt. Eigentlich hätte man damals schon stutzig werden müssen, so Welling. Denn Georg ist nicht im Bundesgedenkbuch wie seine Familie und die Geschwister aufgeführt. Auch auf dem Jüdischen Friedhof findet sich kein Hinweis. Im Übrigen ist auch dem jüngsten Bruder Willi die Flucht nach London geglückt. Ein Rabbiner hat ihn unter seine Fittiche genommen. Im Gegensatz zu Willi hat Georg deutsch gesprochen. Deshalb spricht seine Tochter Catherine auch Deutsch.

Den 1870 eröffneten Stoffladen „Ebstein“ haben der 1987 im Alter von 75 Jahren verstorbene Georg Frank und später seine Tochter weitergeführt. Er wird heute von seinem Enkel betrieben.Irmgard Welling geht davon aus, dass Catherine Allouche Sögel sobald wie möglich besuchen wird.

Text: LB / Fotos: Familie Allouche und LB

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