Die letzten Kriegstage in Sögel – Die Zeitzeugen Hans Grote und Theo Gerdes berichten

4. Juni 2020

Als sich die letzten Tage des zweiten Weltkrieges näherten, wurde das Emsland und teilweise auch die Orte unserer Samtgemeinde  hart von den Kriegseinwirkungen getroffen. Mehrere Publikationen stellen das Geschehen dar, weitgehend übereinstimmend, aber auch mit unterschiedlichen Angaben oder Interpretationen

Unser Heft betrachtet in einem zweiteiligen Bericht die Ereignisse in Sögel ab dem 8. April 1945 und berichtet von den Erinnerungen der beiden Zeitzeugen Hans Grote und Theo Gerdes. An dem Gespräch, das auf Initiative unseres Redaktionsleiter Heiner Wellenbrock stattfand, nahm auch der Vorsitzende des Forums Sögel e.V., Bernd Eggert teil. Eggert hat sich unter anderem intensiv mit Archivunterlagen auch aus den Beständen der kanadischen Armee beschäftigt und seine Erkenntnisse in dem Buch „Wie war es wirklich? April 1945. Kriegstage in Sögel und der Region“ niedergeschrieben. Dadurch konnte die Zeitzeugenberichte, die immer auch persönliche Eindrücke wiedergeben, mit Fakten unterlegt werden.

Bereits 2007 hatten neben Hans Grote und Theo Gerdes auch Grete Borgmann über ihre zum Teil schrecklichen Erlebnisse im Rahmen eines Informationsabends des Heimatvereins Sögel berichtet.

Wir beginnen mit den Erinnerungen von Hans Grote, der

als Achtjähriger am 8. April 1945 zusammen mit den Jungen und Mädchen der Jahrgänge 1936 und 1937 zur Kommunion kam. Während Sögel von den  Kriegsereignisse in der Zeit davor weitgehend verschont blieb, begann an diesem Tag eine dramatische Wende. Man erwartete, dass die Gemeinde bald von den Kriegshandlungen betroffen sein würde. „Wir hörten, dass in  Lathen bereits schwere Kämpfe zwischen deutschen und kanadischen Truppen stattfanden“, sagte Grote. Daher sei die verkürzte und einfach gehaltene Kommunionfeier in der Pfarrkirche frühmorgens angesetzt worden. In der Kirche habe kein Licht gebrannt, lediglich ein paar Kerzen.

Als nachmittags ab etwa 17 Uhr der Bombenangriff auf Sögel geflogen worden sei, habe man sich in einfachen Erdlöchern im Garten schützen wollen. Diese waren mit Brettern und Sand abgedeckt worden, um vor Splitter zu schützen. Da die Erdlöcher schnell belegt waren, wurde Grote aufgefordert, sich platt auf den Boden im Garten hinzulegen. Dabei konnte er beobachten, wie die englischen Flieger auf Sögel zuflogen und ihre Bomben ausklinkten. Da die Familie Grote weiter im Westen der Gemeinde wohnte und die Bombardierungen im östlichen Gemeinteil im Umfeld der Südstraße stattfand, überstand die Familie diesen Angriff unbeschadet.

Dann kam der Befehl, es ist nicht bekannt von wem, sofort die Häuser zu verlassen und Schutz in den Wäldern der Umgebung zu suchen. Gerhard Robbers, der Großvater mütterlicherseits, besaß eine Jagdhütte im Hedwigswald zwischen  Sögel und Werpeloh. Auf dem Weg zu Robbers, die mitten im Ort  an der sogenannten „Straße der SA“ wohnte, kamen der Familie zahlreiche Helfer mit Schwerverletzten aus den von den Bomben getroffene Ortsteilen entgegen, die zum Krankenhaus gebracht werden sollten. Auch Tote auf Bahren wurde weggetragen.

Auf dem Loruper Weg, der zu dem schützenden Versteck im Wald führte, herrschte ein „Gewimmel“, so Grote, denn fast alle Gemeindemitglieder waren unterwegs . Die betagten Großeltern aus dem Hause Grote wollten die Strapaze nicht mehr auf sich nehmen und blieben zuhause. Oma Robbers, die schwer gehbehindert war, wurde vom Nachbarn Hans Bartels mit dem Auto zur Hütte gefahren.  Die Jagdhütte bot nicht allen 20 – 30 Geflüchteten aus der Verwandtschaft Unterkunft. Hans musste draußen bleiben und wurde von seiner Mutter mit einem großen Schal und einem Fuchsfell gegen die nächtliche Kälte geschützt. Alle wurden angewiesen sich, sich hinzuzulegen, um nicht von Maschinengewehrsalven, die zeitweise über die Hütte hinwegflogen, getroffen zu werden. Das alle letztlich großes Glück gehabt haben, zeigte sich am nächsten Tag, als die Hütte durch ein Geschoss völlig zerstört wurde.

Bereits am folgenden Montag, dem 9. April, wurden alle wieder nach Hause geschickt. An diesem Tag rückten die kanadischen Truppen von Lathen kommend in Sögel ein. Beim Krankenhaus standen bereits mehrere gepanzerte Radfahrzeuge. Die Sorge um die zuhause gebliebenen  Großeltern war unbegründet, wie sich Grote schmunzelnd  erinnert. Opa hatte bereits Kontakt zu den Soldaten aufgenommen und diese mit einem guten Tropfen beköstigt. Man habe sich gut verstanden…

Von den weiteren Ereignissen wurden der westliche Bereich von Sögel  weitgehend verschont. Die Kanadier hatten im Bereich der alten Werkstatt von Ahrens und dem Hause Moritz für kurze Zeit ihren Gefechtsstand bezogen, was Bernd Eggert anhand seiner Unterlagen bestätigen konnte.  

Man habe dann in den nächsten Tagen mitbekommen, dass vor allem am Nordend zahlreich Sprengungen stattfanden, die zuletzt auch an das Umfeld des Marktplatzes heranreichten. Durch die Explosion des Geschäftshauses Kohnen an der Sigiltrastraße flogen unter anderem auch Geschäftsbriefe in die Luft, die im westlichen Ortsteil niedergingen und von den Bewohner aufgesammelt wurden.

Auch das Haus der Großeltern an der Hauptstraße wurden ein Schutt und Asche gelegt, das Nachbarhaus des Schusters Geers allerdings nur gesprengt und nicht in Brand gesteckt. Robbers Jagdhund stand auf dem Schuttberg, nur so konnte man erahnen, wo das Haus mal gestanden hatte.

Soweit  die persönliche Erlebnisse von Hans Grote. Auf Hintergründe der Sprengungen und Gründe für deren Einstellung sowie die Erlebnisse des damals dreizehnjährigen Zeitzeugen Theo Gerdes, die vor allem die Ereignisse im Nordend von Sögel betreffen, gehen wir in unserer nächsten Ausgabe ein.

Wichtige Hintergründe erklärt das von Bernd Eggert geschriebene Buch.

Text/Foto/Repro: LB

Hans Grote berichtet als Zeitzeuge in unserem ersten Teil von den letzten Kriegstagen in Sögel.
Auf dem Klassenfoto aus dem Jahre 1948 ist Hans Grote (zweite Reihe von oben, Dritter von links) zusammen mit seinen Schulkameraden zu sehen. Ins Bild lief der damals vierjährige Lehrersohn und heutige Redaktionsleiter unseres Heftes, Heiner Wellenbrock (unten Bildmitte)

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