Abschied von Pastors Wind-Anlage
4. Juni 2020Sögel – In den letzten Tagen des April konnte man überraschte Gesichter am Friesenweg beobachten und Fragen begegnen: Was macht ihr hier? Wo ist sie? Sie war doch schon ein Sögeler Wahrzeichen! Die Rede ist vom Abbau der Windenergieanlage (WEA) der evangelischen Markus-Kirchengemeinde am Friesenweg.
Seit Juni 1988 hat sich Pastor Michael Hassenpflugs Windenergieanlage, liebevoll PaWiAn (Pastors WindAnlage) getauft, dem Wind zugewandt und ihren Rotor Runde für Runde bewegt, um regenerative, elektrische Energie für die Kirchengemeinde (bis über 50% des Stromverbrauchs) und für das öffentliche Netz zu erzeugen. Bis Ende 1995 war sie vor allem eingebunden in einen Verbund von Techniken zur Heizung der gemeindeeigenen Gebäude mit möglichst viel regenerativer Energie bei Nutzung von Wärme aus der Luft und der Erde. Trotz aller Bemühungen der Betreuer und des Wartungsservices der Firma Enercon führte der Alterungsprozess die Technik einmal an ihre Grenzen. Der Generator der WEA hatte einen erheblichen Schaden genommen. Der Reparaturaufwand und die zu erwartenden Kosten standen nun in keinem Verhältnis mehr zu den noch realistisch zu erwartenden Einnahmen aus dem Stromverkauf. Zudem sinkt der Kilowattstunden-Erlös in den kommenden Jahren, so dass die Aussicht auf Wirtschaftlichkeit in weite Ferne gerückt ist. Daher hat der Kirchenvorstand beschlossen, die WEA stillzulegen und durch die Firma Enercon abbauen zu lassen. Am 27. April war es dann so weit: Der Friesenweg wurde für den Verkehr gesperrt, ein mächtiger Kranwagen mit Begleitfahrzeug für die Ausgleichsgewichte, ein LKW für den Abtransport der Flügel, der Gondel und des zerlegten Gitterturmes sowie Werkstattwagen bestimmten das Bild. Nach der Entfernung der einzelnen Flügel, des Maschinenhauses, des Schaltkastens und des Turmes in drei Abschnitten war der Platz leer. Zwölf Stunden arbeiteten sechs Männer und eine Frau, die Kranführerin, ohne Pausen durch, bis bei Dunkelheit der Kranwagen mit „Leuchtfeuer“ im Rückwärtsgang den Friesenweg verließ. Nun sind grundsätzlich noch die Betonfundamente von der Standfläche zu beseitigen, obwohl diese eigentlich noch als Basis für eine konstruktive, schöpferische Idee geeignet wären. Insgesamt hat die WEA ca.878.370kWh produziert und damit rechnerisch 100% ÖKO-Strom für 7 Haushalte über die ganze Laufzeit von über 31 Jahren erzeugt. Im vergangenen Jahr konnte die Kirchengemeinde bei einer Mühlenjubiläumsfeier zusammen mit ihrem Erbauer von einem wegweisenden Projekt im Nachhinein betrachtet fröhlich Abschied nehmen.
Text/Foto: Matthias Voß