Bella Figura

15. März 2020

Sögel – Am 25.01.2020 konnten Freunde der französischen Kultur sich auf das Stück „Bella Figura“ in der Aula des Hümmling-Gymnasiums freuen. Der Kulturkreis Clemenswerth verwöhnte sein Publikum mit einer Produktion des Eurostudios Landgraf, die mit Heio von Stetten, Doris Kunstmann und Julia Hansen Starpotential  aufwies und durch die Autorin Yasmina Reza zudem auch Amüsement französischer Art versprach.

„La bella figura“ machen, bedeutet, sich nicht nur geschmackvoll zu kleiden, sondern sich in Gesellschaften jedweder Art so zu verhalten, dass man niemanden konfrontiert, sondern diplomatisch in jeder Runde dafür sorgt, dass alle ihr Gesicht wahren können. Dabei kommt es weniger darauf an, wie man sich selbst fühlt, sondern mehr darauf, dass man die Fassade wahrt.

Boris (Heio von Stetten) ist der Ehemann von Patricia. Er und seine langjährige Affäre Andrea (Julia Hansen) wollen eigentlich nur eben was Essen gehen. Leider rutscht Boris dabei heraus, dass er das Restaurant von seiner Frau empfohlen bekommen hat. Jeder Versuch, die Situation zu retten, scheitert und als die beiden gerade den Parkplatz verlassen wollen, überfährt er die zukünftige Schwiegermutter von Françoise (Nina Damschke), der besten Freundin seiner Frau. Während sich alle um Yvonne bemühen, die sich sofort zu Andrea hingezogen fühlt, lernt man noch Eric (Boris Valentin Jacoby), den Sohn von Yvonne und Verlobten von Françoise kennen. Um den Schreck zu verdauen, trinkt man gemeinsam eine Flasche Sekt, stößt auf Yvonnes Geburtstag an und hält etwas Smalltalk. So bemüht und krampfig die Situation klingt, so ist sie auch, und es dauert nicht lange, bis Andrea aus ihrer Rolle fällt und die „bella figura“ aller Anwesenden gehörig ins Wanken gerät. Erics bemühte Freundlichkeit bekommt immer mehr Risse je länger der Abend dauert, bis er schließlich sogar gegenüber Françoise und seiner Mutter laut wird. Boris versucht neben der Affäre mit Andrea zugleich seine drohende Insolvenz vor allen zu verheimlichen, was gründlich misslingt, da seine Frau ihre beste Freundin längst in alles eingeweiht hat. Andrea gibt zu Beginn des Abends noch die verantwortungsvolle pharmazeutisch-technische Assistentin, nach und nach jedoch offenbart sich ihre Abhängigkeit von diversen Medikamenten und Alkohol. Françoise, anfangs noch ganz das brave Frauchen, fährt im Laufe des Abends immer mehr die Krallen aus. Die einzige, die sich kaum die Mühe macht, diplomatisch zu sein, sondern sich den Luxus einer ehrlichen Meinung erlaubt, scheint Yvonne (Doris Kunstmann) zu sein. Egal in welcher Situation: Sie bewahrt stets die Ruhe, und wenn es zu unbequem wird, erfragt sie auch ein zehntes Mal Andreas Ratschlag bezüglich der Einnahme ihrer Medikamente.

Eigentlich bietet so ein Plot jede Menge Möglichkeiten für sprühende Dialoge, eloquente Wortwitze und Retourkutschen, die auch mal unter die Gürtellinie gehen können. Leider passiert davon nichts wirklich, zwar gibt es eine Szene auf einer gläsernen Toilette, die ab und an zum Lächeln reizt, aber weniger wegen des gesprochenen Wortes, sondern mehr aufgrund der Verrenkungen, die Julia Hansen vollführt, wenn ihre Strumpfhose sich in ihrem Absatz verheddert. Die Darsteller bemühen sich sehr, ihren Figuren die gewünschten Charakterzüge zu geben, jedoch gelingt das nur scheinbar, denn es erfolgt einfach keine Entwicklung im Stück. Boris und Andrea versuchen ständig Parkplatz und Restaurant zu verlassen, jedoch gelingt es ihnen nicht mal, bis zu ihrem Auto zu kommen. Ihre Probleme verbal zu lösen scheint auch ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, genauso, wie die drohende Insolvenz von Boris in den Griff zu bekommen. Und so bleibt der Zuschauer etwas verwirrt mit dem Gefühl zurück, versehentlich ein fremdes Gespräch belauscht zu haben. Eigentlich kann Yasmina Reza das besser, diesmal fehlte anscheinend der zündende Funke, irgendeine der aufgeworfenen problematischen Situationen aufzulösen.

Text: Feli Ehrhardt

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