Myanmar – Buddhas, Pagoden und schmerzende Füße – Teil 2
28. September 2018Ein Flug bringt den Besucher aus Yangon in die Landesmitte an den Inlesee in ca. 800 m Höhe. Man befährt ihn mit schmalen Motorbooten. Er ist bekannt für die Fischer, die auf dem Heck stehend ihre Boote mit einem Bein rudern, und dafür, dass auf ihm in mühsamer Arbeit angelegte Gemüsebeete schwimmen. Die Häuser stehen auf Stelzen im Wasser. In ihnen findet man das Leben der Menschen jenseits der Religiosität. Goldschläger, die Blattgold herstellen, Schreiner beim Möbelbau, Wäscherinnen, Herstellung von Lackarbeiten, Spinnerinnen und Weberinnen, die Fasern aus Lotusstengeln zu Bekleidung verarbeiten, Zigarrendreher, Schnitzer von Masken und Marionettenpuppen, Klingenschmiede, Bootsbauer, kurz eine ganze Palette von Handwerksarbeiten. Eine besondere Sehenswürdigkeit unter den Weberinnen bilden die sog. Giraffenfrauen. Ihnen wurden seit der Kindheit mehr und mehr Messingringe um den Hals gelegt, so dass er sich verlängerte. Angeblich geschah dies, um ihre Kehlen vor Tigerbissen zu schützen. Ehemänner sollen gelegentlich ihren Frauen die „Halskrause“ genommen haben, damit die Frauen im Haus blieben. Denn die verkümmerte Halsmuskulatur konnte den Kopf nicht mehr aufrecht halten. Sei es, wie es sei. Messingringe und lange Hälse gelten heute als schön. Zudem gehören inzwischen die Frauen vermutlich zu den Hauptverdienern der Dörfer. Denn sie stellen sich Touristen gerne gegen Entgelt als Fotomodelle vor die Kamera und dürften dadurch höhere Einnahmen haben als mit ihren schönen Webarbeiten.
Das Seeufer wird gesäumt von – was wohl? – richtig: Pagoden. Die Phaung-Daw-U Pagode enthält ein Wunder. In ihr werden fünf kleine Goldklumpen verehrt. Es sind Buddhastatuen, die bis zur Unförmigkeit mit Blattgold verziert wurden. Sie werden einmal im Jahr mit einer Schiffsprozession zu einer anderen Pagode gebracht. Bei einem Unwetter fielen alle ins Wasser. Vier wurden geborgen. Die fünfte blieb unauffindlich. Bei Rückkehr in die Heimatpagode entdeckte man sie dort. Sie war zurück geschwommen.
In der alten Königsstadt Mandalay strotzen Ort und Umgebung von Pagoden. Der im Weltkrieg zerstörte Königspalast wurde zum Teil wieder hergerichtet. In der von Wasser und hoher Mauer umgürteten Anlage lebte das Königspaar mit seinen Höflingen und wusste kaum, was sich außerhalb ereignete.
Auf der Weiterfahrt nach Monywa muss man trotz des bisherigen Überangebots an Pagoden drei aufsuchen: das goldene Prunkstück Shwenandaw, das dritte der erwähnten drei wichtigsten Heiligtümer, die Kuthadaw Pagode mit über 350 Steintafeln in einzelnen kleinen Pagoden. In die Tafeln wurde die Tripitaka, der buddhistische Kanon, gemeißelt. Gemäß Inschrift handelt es sich um das größte Buch der Welt. (In Südkorea wird bei einem entsprechenden Tempel mit der in Stein gehauenen Tripitaka dasselbe behauptet.) Das dritte Muss ist die Thanbodday Pagode mit steinernen Elefanten, 471 Türmen (Stupas) und ca. 750 000 Buddhas.
Bei einer Bootsfahrt auf dem Irrawady, einem der drei großen Flüsse Hinterindiens, lässt es sich gut entspannen. In Bagan wird man von über 3000 Pagoden erwartet. Dieses Pagodenfeld entstand im Laufe mehrerer Jahrhunderte und repräsentiert verschiedene Baustile. Beim Weg durch die Savanne wird man überall von fast ebenso vielen Tempeln wie Bäumen und Büschen umgeben. Die Silhouetten der Pagoden erstrecken sich bis zum Horizont. Mit der schneeweißen und goldbekrönten Ananda Pagode schließt sich der Tempelreigen. Beim Abendessen in einheimischem Restaurant erfreut man sich am Marionettentheater. Es stellt burmesische Sagenwelt in deftigem Spiel vor. Der Besuch auf Märkten und in kleinen Dörfern zeigt ein Burma jenseits von Tempeln. Das gleiche gilt für eine Fahrt in rumpelndem Zug in Yangon mit freundlichen Burmesen und eine abenteuerliche Rikschafahrt durch die Hauptstadt vor dem Heimflug.
Die nächste Reise führt in ein Nachbarland, das heute noch so verschlafen ist, wie Burma vor 40 Jahren.
Text/Fotos: UM