Einige Gedanken zu dem Wir und Europa

22. Juli 2018

Am 3. 6. 18 veranstaltete das Forum Sögel ein gelungenes niederländisch-deutsch-europäisches Volks- und Informationsfest unter dem Titel „Wir in Europa“(siehe Artikel an anderer Stelle). Dabei feierten Niederländer und Deutsche ihre Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten in fröhlicher Atmosphäre. Ein Volksfest im wahren Sinne des Wortes, denn Vertreter zweier Völker feierten sich und einander stellvertretend für die Völkerfamilie der Europäischen Union.

Einige Gedanken zur grundsätzlichen Bedeutung der Familie: Eine Familie verfügt über mehrere ganz wichtige Funktionen. Einige davon bestehen in emotionaler Geborgenheit, Schutz und Sicherheit. Bedeutsam ist auch die Blitzableiterfunktion der Familie. Wer traurig oder aus irgendeinem Grund übel gelaunt ist, findet in der Familie Trost oder kann auch mal Dampf ablassen. Die Familie gibt ihm Halt. Selbst wenn man die (Herkunfts)Familie verlassen hat, fühlt man sich im Regelfall immer noch mit ihr verbunden und hat angenehme Erinnerungen an sie. Denn die Familie hat die Grundlagen der eigenen Persönlichkeit sowie Identität gelegt. Zugleich hat die Familie die Person mit der umgebenden Gesellschaft und Kultur verbunden. Denn eine weitere Funktion der Familie liegt darin, dass sie Agent der Gesellschaft ist, indem sie den einzelnen mit der Gesellschaft synchronisiert.

Jetzt kommt der Verfasser zu einem eigenartigen, dennoch erklärbaren Phänomen, das sicher vielen bekannt ist. Bin ich an anderen Stellen Deutschlands, empfinde ich mich wahlweise als Ruhrgebietler und Rheinländer, wo ich groß geworden bin, oder als (Neu)Emsländer. Bin ich in Europa außerhalb Deutschlands, fühle ich mich als Deutscher, außerhalb Europas als Europäer. Ich spreche dann gegenüber Franzosen, Engländern oder anderen Europäern von „Wir in Europa“, und sie antworten mir ebenso. D. h.: Deren und meine Identitäten zeigen sich als vielschichtig, aber verbunden. Diese Vielschichtigkeit wird nicht als Widerspruch empfunden, sondern als Übereinander von Schichten, die zusammen passen. Dabei bildet vor allem die oberste europäische Schicht die Klammer mit dem Gesprächspartner. Anders ausgedrückt, wir identifizieren uns miteinander, weil wir einander als ähnlich sowie zusammengehörig empfinden. – Dies stellt einen wesentlichen Grund dar, warum der Begriff der europäischen Familie nicht hohle Phrasendrescherei auf Sonntagsreden ist, sondern dem persönlichen Empfinden und eigenen Haltungen entspricht.

So wie es in jeder Familie Reibungen gibt, existieren diese auch in der europäischen Völkerfamilie. Bei einer stabilen eigenen in der Herkunftsfamilie sowie Ursprungsgesellschaft und Kultur erworbenen Identität kann man diese Reibereien ertragen und lösen. Hierzu sind Geborgenheit und Sicherheit zu Beginn nötig, die man in anfänglicher Abgrenzung findet und die Rückhalt gewährt. Fühlt man sich sicher, kann man immer weiter außerhalb der Familie Erfahrungen und Wertschätzungen sammeln in dem Wissen des sicheren Rückzugs in die Familie. Dies lässt sich auf Länder, Gesellschaften und Kulturen übertragen. Empfindet man die Ländergrenzen als sicher, kann man sie einreißen in der Gewissheit, dass die eigene Gesellschaft und Kultur noch existieren, Rückhalt geben und nicht bedroht sind. Zugleich kommt man wegen der offenen Grenzen mit Angehörigen außerhalb der eigenen Ursprungsgesellschaft zusammen und lernt immer wieder aufs Neue, dass sie keine Gefahr, sondern eine Bereicherung darstellen. – Das Wir erweitert sich und umfasst mehr und mehr Kulturen. Es wird zum europäischen Wir. Der Leitspruch im Siegel der USA „E pluribus unum“ (aus vielen eins) kann für Europa Realität werden.

 

Text/Bild: UM

 

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