Kulturkreis Clemenswerth

27. Mai 2018

Malala- Mädchen mit Buch

Am 8.03. 2018 holte der Kulturkreis Clemenswerth das Junge Theater Bonn in die Aula des Hümmling- Gymnasiums, welches mit dem sehr bewegenden Stück „Malala- Mädchen mit Buch“ das zahlreich erschienene Publikum begeisterte.

Das Bühnenbild zeigt metaphorisch, welches Chaos im Kopf der Studentin Lena (Mona Mucke) herrscht. Ihre Bachelorarbeit steht an, aber das richtige Thema zu finden gestaltet sich schwerer als gedacht. Zufällig stößt sie auf einen Artikel über die pakistanische Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, die 2012 von den Taliban auf dem Schulweg angeschossen wurde und die Tat schwer verletzt überlebte. Lena ist von der Geschichte fasziniert: eine 11- jährige, die einen Blog für die BBC schreibt, über ihren Alltag in der von Extremisten besetzten Stadt, die Mädchen verbietet zur Schule zu gehen. Sie beginnt zu recherchieren, stößt aber schnell an ihre Grenzen, denn wer kennt schon die Verhältnisse, unter denen Malala leben muss? Welche persönlichen Gründe hat sie, sich todesmutig vor laufenden Kameras zur Situation in ihrem Land zu äußern?

Lena ist als Mitteleuropäerin, weder besonders religiös, noch gezwungen, für ihre Grundrechte zu kämpfen. Deshalb beginnt sie Fragen zu stellen, offen und kritisch. Die problematische Rolle der internationalen Medien beispielsweise, die Malala nicht dazu anhielten, behutsam mit persönlichen Informationen umzugehen, oder auch die Art von Malalas Vater, offen seine Meinung und seine Tochter in Interviews zu zeigen, wohlwissend, dass auch die Terroristen Zugang zu diesen Informationsquellen haben. Ein Spiel mit Malalas Leben.

Mona Mucke schlüpft hierbei in unterschiedliche Rollen, mal ist sie Studentin, zeigt auf einer selbstgemalten Karte, wo Malala genau wohnt, mal ist sie Malala, die sich mit Buch und Stift gegen die Extremisten wappnet, mal ist sie der Busfahrer, dann der Attentäter. Ausgezeichnet gestaltet sich dieses Rollenspiel, Lenas Gedanken sind selbstkritisch, witzig und ernsthaft, wenn sie sich mit dem Kopftuch, mit dem Recht darauf, die Schule zu besuchen, oder auch mit Religion auseinandersetzt. Das Bühnenbild ist dabei ein Schatz an Requisiten. In der Schublade ihres Schreibtisches findet sie orientalische Musik, unter dem Müllberg verbergen sich Artikel über Politik und Zeitgeschichte, und so wird die rätselhafte Welt des sogenannten „Morgenlandes“ mithilfe von Musik und Lichteffekten zum Leben erweckt. Dabei wird die Thematik ohne Kitsch beleuchtet, auf einer großen Leinwand werden Szenen aus dem alltäglichen Leben Malalas gezeigt, Bomben explodieren plötzlich, eine Frau wird auf der Straße ausgepeitscht, weil sie zusammen mit einem fremden Mann ein Haus verließ. Und mittendrin eine Radiodurchsage: „Allen Mädchen wird der Schulbesuch verboten.“ Die Taliban haben Angst vor der „Verwestlichung“, die Gleichberechtigung von Frauen muss mit Gewalt unterdrückt werden. Allerdings gibt es auch Hoffnung, es werden auch Filmaufnahmen von Malala und ihrem Vater gezeigt, Interviews und private Mitschnitte von Demonstrationen. Malala erscheint als eloquentes junges Mädchen, ehrgeizig und klug. Mit der Schilderung des Attentates hören die Bilder von Malala auf, aber ihre Botschaft wird mit herabfallenden Buchseiten verdeutlicht: „Bildung ist die einzige Lösung. Bildung zuerst.“

Das Publikum folgte dem einstündigen Stück in gespannter Stille, einige Zuschauer kennen Terror aus eigener Erfahrung, und die gezeigten Szenen ließen niemanden kalt. Die Inszenierung der Regisseurin Konstanze Kappenstein zieht jeden in ihren Bann, vor allem die Mischung aus dokumentarischen Aufnahmen und den Emotionen der Darstellerin Mona Mucke gestalten Malalas Erlebnisse erschreckend real, ohne ins romantisch Verklärte abzudriften, großen Respekt dafür. Langanhaltender Applaus am Ende zeigte die Begeisterung, und viele nachdenkliche Gesichter am Ausgang die nachhallenden Gedanken in den Köpfen des jungen Publikums.

 

 

Kleiner Mann was nun?

Am 06.03. 2018 lud der Kulturkreis Clemenswerth alle interessierten Schüler und Schülerinnen zu einer Bühnenadaption von Hans Falladas „Kleiner Mann was nun?“ in die Aula des Hümmling-Gymnasiums ein. Die Inszenierung übernahm das Westdeutsche Tourneetheater Remscheid, und es gelang den Darstellern großartig, die Zeit der 1930er Jahre vor dem jungen Publikum zum Leben zu erwecken.

Die letzten Tage der Weimarer Republik sind angebrochen, die Schrecken der Nazizeit stehen quasi schon in den Startlöchern – aber noch interessiert das Niemanden. Denn man hat ganz andere Sorgen: Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und natürlich die Liebe. Das frisch verheiratete Ehepaar Pinneberg ist noch sehr naiv. Emma, genannt Lämmchen, ist 22 und schwanger. Von Haushaltsführung und Eigenständigkeit hat sie kaum Ahnung, aber sie möchte glücklich werden und ist bereit, dafür alles zu geben. Johannes Pinneberg hat das Leben als Junggeselle genossen, aber bald nach der Hochzeit ahnt er, dass die wachsende Verantwortung mit Frau und Kind sein Leben nicht gerade leichter machen wird. Beide versuchen, in der unsicheren Zeit der Wirtschaftskrise ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, jedoch wird schnell klar, dass die anfänglich rosigen Aussichten nicht anhalten werden, denn Johannes verliert seine Arbeit, und Lämmchen ist schon sehr bald gezwungen, ihre Hausfrauenrolle aufzugeben und das Geld zu verdienen.

Ein sehr einfaches Bühnenbild erwartet die Zuschauer: eine Tür führt in verschiedene Räumlichkeiten und Orte. Der Hintergrund der Bühne ist eine große Leinwand, auf der verschiedene Bilder und Filmsequenzen (aus „Berlin wie es war: Symposium einer Weltstadt“) projiziert werden und jedem deutlich machen, wo man sich gerade befindet, oder wodurch die Welt des Szenischen Bühnenstückes gerade erschüttert wird (Aufmärsche, Proteste oder auch Versammlungen). Man fühlt sich also durchaus in die Zeit der Weimarer Republik zurückversetzt – und betritt sie doch nicht vollständig, denn am linken Bühnenrand steht ein Rednerpult. Hierhin treten die verschiedenen Akteure abwechselnd und übernehmen dort, wo das Stück eine erzählende Vermittlungsinstanz benötigt, die Erzählerrolle – einerseits ein Zugeständnis an die Schwierigkeiten einer Romanadaption auf der Theaterbühne, andererseits aber willkommene Verfremdung der dramatischen Handlung. Die Akteure geben vom Rednerpult aus quasi Regieanweisungen und kurze Berichte von der nachfolgenden Entwicklung. Auch dadurch wird das Stück leichter verständlich, und zugleich erhält man interessante Einblicke in das Innenleben der Charaktere. Zur musikalischen Untermalung ist ein Akkordeonspieler anwesend, der bekannte zeitgenössische Melodien als Szenenabschluss einbrachte. Wer von „Für mich soll rote Rosen regnen“ nicht mitgerissen wurde, konnte sich stattdessen für „Mein kleiner grüner Kaktus“ begeistern.

Claudia Sowa übernimmt nicht nur die Rolle von „Lämmchen“, sondern ist auch die Regisseurin und verantwortlich für die szenische Bühnenfassung. Normalerweise ist eine solche Mischung mit Vorsicht zu genießen, hier aber ist das Ergebnis mehr als vorzeigbar geworden. Unter anderem durch die besagten Regieentscheidungen hat Falladas manchmal etwas sehr detailverliebter Stil eine ordentliche Kürzung erfahren, wodurch der gesellschaftliche Sturz der Pinnebergs noch mehr in den Vordergrund gerückt wird. Aber nicht nur Sowa, sondern auch die anderen Darsteller, Björn Lenz, Björn Lukas und Kai Balke, lieferten eine ansehnliche schauspielerische Teamleistung. Durch das in Sögel bereits mehrfach bewährte Mittel des Kostümwechsels gelang es der Truppe problemlos, komplett andere Charaktere zum Leben zu erwecken, und dies gelang scheinbar so mühelos, dass sich das Publikum wie am Bändel durch alle Emotionen führen lies. Der Schlussapplaus war dementsprechend langanhaltend. Ob dies auch daran lag, dass die Thematik um soziale Abstiegsängste und politische Radikalisierung aktueller sind, als es vielen lieb ist, sei dahingestellt.

 

Text: Felicitas Ehrhardt

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