Der Besuch der alten Dame
1. April 2018Sögel – Unter Federführung von OStR Christian Stindt hat der Prüfungskurs „Darstellendes Spiel“ am Samstag, dem 24., und Sonntag, dem 25. Februar, den Dürrenmatt-Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ erfolgreich auf die Bühne gebracht. Die engagierten Darsteller präsentierten das Geschehen in beeindruckender Weise, was auch deshalb beachtlich ist, weil das Stück im Original ganze 22 (!) Rollen ausweist, es auf der Bühne aber nur 13 Akteure gab. Es waren also Doppelbesetzungen, akustische Einspielungen aus dem Off und diverse technische Tricks zu bestaunen, die aber keineswegs als Notlösung daherkamen, sondern als wirkungsvolle Inszenierungsmittel kreativ eingesetzt wurden. Hiermit sowie mithilfe eines eindrucksvollen Lichteinsatzes forderte die Truppe das anwesende Publikum effektvoll zur Selbstreflexion auf.
Im Stück geht es nämlich im Wesentlichen um die Käuflichkeit von Moral. Die exzentrische, achtfach geschiedene Multimilliardärin Claire Zachanassian, ehemals Klara Wäscher, kehrt zurück in ihre Heimatstadt Güllen. Die Bewohner der wirtschaftlich heruntergekommenen Kleinstadt schmeicheln der Dame und hoffen auf finanzielle Hilfen der ehemaligen Mitbewohnerin, doch daraus wird erst einmal nichts, denn Klara hat noch eine alte Rechnung offen. Ihr ehemaliger Partner Alfred, mit dessen Kind sie einst schwanger war, hatte damals seine Vaterschaft bestritten, sodass Klara mit Schimpf und Schande aus dem Dorf gejagt wurde. Inzwischen wohlhabend, knüpft Klara ihre finanzielle Hilfe an eine unmoralische Bedingung: Sie bietet eine Milliarde gegen den Tod Alfreds.
Die spontane Entrüstung der Güllener, die das unmoralische Angebot zunächst rundweg ablehnen, scheint im ersten Moment noch authentisch. Aber je mehr Zeit verstreicht, desto deutlicher wird, dass die Stadtbewohner insgeheim damit rechnen, dass die Solidarität mit „ihrem“ Alfred auf tönernen Füßen steht. Neue Schuhe, Pelzmäntel und Sportwagen werden gekauft, sagenhaft hohe Kredite werden aufgenommen… Alfred wird langsam mulmig zumute. Am Ende kommt es, wie es (vielleicht) kommen musste: Die Dorfbewohner stimmen öffentlich darüber ab, ob die Milliardenstiftung gegründet werden soll – freilich ohne die lästige, moralisch etwas unbequeme Vorbedingung dafür allzu offensichtlich zu thematisieren. Hierbei wird das Publikum mithilfe von Spotlights effektvoll „ins Verhör genommen“ und damit in die Abstimmung einbezogen: Überwiegt die Solidarität mit dem Mitbürger, oder hat der alte Schuft es nicht besser verdient und sein Schicksal eigentlich damals selbst schon besiegelt…?
Überhaupt spielt die Beleuchtung als Mittel der Inszenierung eine wichtige Rolle. Die zunehmend bedrohliche Atmosphäre wird durch passende Stimmungsbeleuchtung untermauert, sodass das ausdrucksvolle Spiel der Darstellerinnen und Darsteller einen kunst- und anspruchsvollen Rahmen bekommt. Ein Glückwunsch an alle Beteiligten, die das bitterböse, durchtriebene Spiel für das Publikum zu einem unterhaltsamen und denkwürdigen Abend gestalteten.
Text/Foto: Manfred Rojahn