Die Geschichte vom rosa Tütchen
1. Februar 2018Als ich eines Tages wie immer traurig durch den Park schlenderte und mich auf einer Parkbank niederließ, um über alles nachzudenken, was in meinem Leben schief lief, setzte sich ein junges fröhliches Mädchen zu mir.
Sie spürte meine deprimierte Stimmung und fragte voller Mitempfinden: „Warum bist Du so traurig?“
„Ach“ sagte ich, „ich habe keine Freude am Leben. Alle sind gegen mich. Alles läuft schief. Ich habe kein Glück und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“
„Hmm“, meinte das Mädchen, „wo hast Du denn Dein rosa Tütchen? Zeig es mir mal. Ich möchte da einmal hineinschauen.“
„Was für ein rosa Tütchen?“ fragte ich sie verwundert. „Ich habe nur ein schwarzes Tütchen.“ Wortlos reichte ich es ihr. Vorsichtig öffnete sie mit ihren zarten kleinen Fingern den Verschluss und sah in mein schwarzes Tütchen hinein.
Ich bemerkte, wie sie erschrak: „Es ist ja voller Albträume, voller Unglück und schlimmer Erlebnisse!“
„Was soll ich machen? Es ist eben so. Daran kann ich doch nichts ändern.“
„Hier nimm“, meinte das Mädchen und reichte mir ein rosa Tütchen. „Sieh hinein!“
Mit etwas zitternden Händen öffnete ich das rosa Tütchen und konnte sehen, dass es voll war mit Erinnerungen an schöne Momente des Lebens. Und das, obwohl das Mädchen noch jung an Menschenjahren war. „Wo ist Dein schwarzes Tütchen?“ fragte ich neugierig.
„Das werfe ich jede Woche in den Müll und kümmere mich nicht weiter drum,“ sagte sie. „Für mich besteht der Sinn des Lebens darin, mein rosa Tütchen im Laufe des Lebens vollzubekommen.
Da stopfe ich so viel wie möglich hinein. Und immer, wenn ich Lust dazu habe oder ich beginne, traurig zu werden, dann öffne ich mein rosa Tütchen und schaue hinein.
Dann geht es mir sofort wieder besser. Wenn ich einmal alt bin und mein Ende droht, dann habe ich immer noch mein rosa Tütchen. Es wird voll sein bis oben hin und ich kann sagen: »Ja, ich hatte etwas vom Leben. Mein Leben hatte einen Sinn!«“
Noch während ich verwundert über ihre Worte nachdachte, gab sie mir einen Kuss auf die Wange und war verschwunden. Neben mir auf der Bank lag ein rosa Tütchen.
Ich öffnete es zaghaft und warf einen Blick hinein. Es war fast leer, bis auf den zärtlichen Kuss, den ich von dem Mädchen auf der Parkbank erhalten hatte. Bei dem Gedanken daran musste ich schmunzeln und mir wurde warm ums Herz. Glücklich machte ich mich auf den Heimweg, nicht vergessend, am nächsten Papierkorb mich meines schwarzen Tütchens zu entledigen.
Allen einen guten Start ins neue Jahr 2018
und viel Erfolg beim Füllen des rosa Tütchens!
Text : Wiedergabe im Rahmen einer Predigt Elena Dannenberg