Martinus Luther- Anfang und Ende eines Mythos

25. Dezember 2017

Sögel – Zum 500. Jubiläum der Reformation lud der Kulturkreis Clemenswerth alle Interessierten zu einem Schauspiel der besonderen Art in die Aula des Hümmling-Gymnasiums – „Martinus Luther“ von John von Düffel. Der Autor selbst beschreibt den Ansatz seines Stückes folgendermaßen: „Wie Luther wurde, was er war – und wie Luther aufhörte, Luther zu sein.“ Dieser Einteilung folgt auch der Aufbau des Stückes, nämlich einmal Luthers Jugend als Mönch und einmal Luther, kurz vor seinem Ableben, in einem Augustinerkloster in Wittenberg.

Den jungen Martin Luther – hervorragend gespielt von Sebastian Gerasch – zeichnet vor allem seine große Unsicherheit aus:

Er hat Angst davor, den Ansprüchen seiner Eltern nicht zu genügen, Angst, in seinem Beruf zu versagen und letztendlich hat er auch Angst vor Gott, denn während eines Gewitters fühlt er die Kräfte der Natur wie ein Himmelsgericht über sich hereinbrechen und trifft zum ersten Mal in seinem Leben eine eigene Entscheidung: er will Mönch werden, wenn er den Sturm überlebt.

Dieses Versprechen hält er ein, womit er sich dem Willen des Vaters widersetzt. Immer wieder wird er von Zweifeln über sein Handeln geplagt, und deshalb lebt er streng nach den Regeln des Augustinerordens und entwickelt eine wahre Beichtwut, sodass ihn sogar sein Mentor Johann von Staupitz (Thomas Kügel) bisweilen bremsen muss. Luthers Selbstzweifel und das Ringen mit seinen Dämonen werden hierbei durch einen weiblichen Teufel (Anja Klawun) sowie die Perkussion von Anno Kesting  schaurig schön untermalt. Trotz seiner Zweifel und Zerissenheit erkennt von Staupitz Luthers Talent und schickt ihn auf die Universität in Wittenberg, wo Luther zum Doktor der Theologie promoviert und seine Thesen verfasst, die vor allem mit dem Ablasshandel hart ins Gericht gehen.

Mit dem darauffolgenden historischen Spektakel hält sich das Stück nicht auf, es folgt ein Zeitsprung in Luthers letzte Jahre, brilliant gespielt von Thomas Klügel, die er abgeschieden von der Welt in einem ehemaligen Kloster in Wittenberg verbringt. Mittlerweile hat er geheiratet. Katharina von Bora, die den Haushalt des Pfarrhauses souverän verwaltet, ist eine entflohene Nonne, deren Verstand und scharfe Zunge von Anja Klawun sehr erfrischend in Szene gesetzt werden.

Das Stück überrascht mit einem sehr glaubwürdigen Bild des Reformators: Die Figur entwickelt sich von einem wütenden jungen Mann, den jede Entscheidung in tiefe Sinnkrisen stürzt und der ohne Vaterfigur völlig verloren scheint, bis hin zum gealterten, selbstsicheren, aber auch machtgierigen Patriarchen, den die Vergangenheit nicht loszulassen scheint, obwohl sie zunehmend losgelöst von seiner gegenwärtigen Welt existiert.

Das Stück ist alles andere als leichte Kost und gibt den Ereignissen der Reformation ein menschliches Gesicht mit all seinen Schwächen und Fehlern. Damit entmystifiziert sich so einiges und der Zuschauer pendelt zwischen Mitleid, Abscheu, Wut und Freude. Diese Unentschiedenheit aber führt wiederum dazu, dass die Person Luther sehr menschelnd daherkommt und insofern auch in seinen Widersprüchen verstehbarer wird. Der langanhaltende Abschlussapplaus sowie das nachdenkliche Schweigen beim Verlassen der Aula zeigten jedenfalls deutlich, wie stark das Gesehene in den Köpfen nachklang.

Text: Felicitas Ehrhardt

 

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