Bhutan – Königreich in den Wolken

1. Oktober 2017

Betritt man durch ein buntes Ehrentor aus Indien kommend die bhutanesische Grenzstadt Puntsholing, so blickt man aus ca. 300 m hinunter ins hitzeflimmernde Tiefland von Bengalen. Hier in den Ausläufern des Himalaya ist das Klima schon angenehmer. Allerdings wird man sich noch manches Mal in die Wärme zurück wünschen. Denn im Land des Donnerdrachens, wie Bhutan sich auch nennt, reist man meistens in Höhen von 2000 bis 3000 m. Damit ist man zwar deutlich entfernt von den atemberaubenden 7000er Gipfeln des bhutanesischen Himalaya, dem norddeutschen Flachländer reichen die Höhen jedoch.

Zunächst vermittelt die Kleidung der Männer Bhutans den Eindruck, als wollten sie gerade in die Sauna gehen, da viele einen Bademantel tragen, bis man erfährt, dass es sich um die Nationaltracht „Gho“ handelt. Traditionen werden überall gepflegt und gelebt. Zu den angenehmsten gehört die unglaubliche Freundlichkeit und Rücksichtnahme der Menschen. Beide werden von den hoch verehrten Königen erwartet und vorgelebt. Der Buddhismus des tief religiösen Landes verlangt ebenfalls gelassene Rücksichtnahme.  Der Glaube ist tibetisch-lhamaistisch ausgeprägt (Lhama: Mönch, Lehrer). Er fußt auf der alten Bönreligion Tibets und hat von ihr deren Schamanismus (Glaube an die Beseeltheit der Natur), Geisterglauben und unzählige gute wie böse Dämonen übernommen. Das Gute hält das Böse aber in Schach.

Das Land ist übersät mit Weihestätten, Gebetsmühlen, im Wind flatternden Segenstüchern, Klöstern und Dzongs. Letztere sind Klosterburgen, in denen geistliche und weltliche Macht gemeinsam residieren.  Auf dem Weg zur Landeshauptstadt Thimpu über halsbrecherische Straßen passiert man in mehr als 2300 m Höhe das mal wolkenverhangene, mal sonnenbeschienene imponierende Karbandi-Kloster.

Thimpu ist beschaulich. Seine Häuser wurden im Landesstil erbaut. Er erinnert etwas an Fachwerk und Lüftlmalerei. Bei den Bildern handelt es sich um Dämonen und Schutzgeister. Als Hauptstadt birgt Thimpu neben dem Königspalast viel Klöster (Lhakhangs), Dzongs (Klosterburgen) und eine über 70 m hohe vergoldete Buddhastatue. Im weitläufigen Changgangkha-Lhakhang beeindruckt die praktizierte Frömmigkeit der Menschen. Gewaltige Gebetsmühlen werden unablässig gedreht, vor einem Schrein werfen sich Beter der Länge nach auf Bodenbretter, alle murmeln Mantras (heilige Formeln) vor sich hin. Im Dzong gegenüber dem Königspalast (Betreten verboten) erlebt der Unterzeichner das Einholen der von einem Drachen geschmückten Landesfahne. Soldaten paradieren aus dem Innenhof, angeführt von Mönchen, nach draußen zur Fahne. Sie wird mit allerlei Ehrenbezeugungen und viel Weihrauch eingeholt. Dann marschieren alle zurück, wobei die Mönche Gongs schlagen und Ritualtrompeten blasen.

Thimpu bietet jedoch auch weltliches, z. B. ein riesiges Freigehege für den Takin. Er ist mit Ziegen und Schafen verwandt, gilt als hässlichstes Tier der Region, und ist gleichwohl Nationaltier des Landes. Einheimische betreiben begeistert den Nationalsport des Bogenschießens. Ein beliebtes Freizeitvergnügen ist Dart, also Pfeilewerfen. Die Pfeile sind größer und schwerer als in Europa. Es wird im Freien aus einer Distanz von 20 bis 30 m auf eine winzige Zielscheibe geworfen. Bei jedem Treffer vollführt die Siegermannschaft einen kleinen Tanz mit Gesang.

Die Weiterfahrt nach Paro bietet neben traumhafter Berglandschaft viele Klöster und bereitet damit auf zwei Höhepunkte vor. In einem Kloster hoch in den von Rhododendron bewachsenen Bergen tanzen die maskierten Mönche zu einem Fest im Freien, in einem Dzong wird ein 5-tägiges Fest mit Tänzen des Schwarzmützenordens im Klosterhof zelebriert. Die Masken stellen Tiere und Dämonen dar. Sie könnten der alemannischen Fastnacht entstammen. Die Mönchstänze sind wild und werden vom Dröhnen der Gongs begleitet. Eine archaische Anmutung! Tausende Zuschauer stehen und sitzen wie Sardinen in der Dose dicht gedrängt um den Hof und auf Galerien. Das Publikum amüsiert sich und ist zugleich fasziniert.

Wer Bhutan bereist, will auf jeden Fall das Tigernest in 3120 m Höhe sehen. Der Guru Rinpoche flog auf einem Tiger in eine Steilwand und errichtete dort ein Kloster. Die heilige Stätte klebt wie ein Adlernest am Berg. Es muss unendliche Mühen bereitet haben, die Baumaterialien hinaufzuschaffen. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts brannte es ab, wurde aber schnell wieder aufgebaut, da es ein nationales Heiligtum ist. Der Aufstieg ist  mühsam. Der Autor bevorzugt für einen Teil der Strecke die Unterstützung eines Mulis. Auch dieser Ritt von ca. einer Stunde entlang der Bergflanke, links ein gähnender Abgrund, ist unbequem und nicht ungefährlich. Der Blick aufs Tigernest in einer Gigantenlandschaft entschädigt für den schweißtreibenden und atemberaubenden Anstieg. – Mit diesem Höhepunkt schließt die Beschreibung, aber nicht die Schilderung einer Hochkultur im Hochgebirge.

Dafür geht’s im kommenden Artikel nach Südamerika.

Text/Bild: UM

  

  

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