Südkaukasus – Nahtstelle zwischen Orient und Okzident

8. September 2017

Die Länder Armenien, Georgien und Aserbaidschan teilen sich den Südkaukasus. Von Armeniens Hauptstadt Eriwan aus erblickt man in der Ferne den Berg Ararat. An ihm strandete angeblich Noahs Arche. Der Berg ist aber von Armenien aus unerreichbar, da er auf türkischem Gebiet liegt. Die Grenzen sind geschlossen. Die Armenier haben den Völkermord nicht vergessen, den die Türkei bei deren Vertreibung im Ersten Weltkrieg verübte. Ein würdevolles modernes Mahnmal, dessen Bedeutung man ohne fragwürdige modernistische Erläuterungen versteht, erinnert an das Leid der Armenier.

Trotz des vernichtenden Erdbebens zur Sowjetzeit wirkt Eriwan intakt und strahlt angenehmes Großstadtflair aus. Es gibt tatsächlich ein Gebäude von Radio Eriwan, das einmal den Namensgeber für Witze in Frage- und Antwortform bildete. Viel bedeutsamer als diese Randnote der Stadtgeschichte sind die vielen ausdrucksstarken Kirchen. Sie legen Zeugnis davon ab, dass Armenien das erste christliche Land ist. Es übernahm den Glauben zwischen 301 und 314. Sein König bekehrte sich – angeblich aufgrund einer wundersamen Heilung – und führte den Glauben in seinem Land ein. In einiger Entfernung von Eriwan kann man den Apollotempel besuchen, der zur ersten christlichen Kirche das Landes und damit wohl der ganzen Welt wurde. Der christliche Glaube ist heute noch wesentlicher Kristallisationspunkt armenischer Identität. Überall im Land findet man in Städten ebenso wie in der Berglandschaft uralte christliche Kirchen. In ursprünglicher Gebirgslandschaft verstecken sich Felsenklöster, Kirchen überblicken Gebirgsseen. Allen Gotteshäusern gemeinsam ist die trutzige Bauweise.

Armenien grenzt an den Iran, die Türkei, Aserbaidschan und Georgien. Eine direkte Einreise nach Aserbaidschan ist nicht möglich wegen des militärischen Konflikts um die armenische Enklave Berg Karabach in Aserbaidschan. Der Grenzübertritt nach Georgien gestaltet sich dagegen unproblematisch. Die Hauptstadt Tiflis ist schnell erreicht. In ihr fallen sofort ein überdimensionierter Präsidentenpalast, die riesige Statue einer „Mutter Heimat“ mit Schwert und die große Kathedrale auf. Alle thronen auf Hügeln und Klippen, so dass sie das Stadtbild beherrschen. Der Präsidentenpalast wirkt wie in Glas und Stein geronnene Großmannssucht, die Mutter Heimat verherrlichte ursprünglich Kommunismus und Sieg im Großen Vaterländischen Krieg (2. Weltkrieg). Die Kathedrale legt Zeugnis davon ab, dass Georgien bereits im Jahr 349 zum Christentum übertrat. Über den Vorplatz der Kathedrale wird berichtet, er sei zur Stalinzeit sonntags abgesperrt worden, weil die Mutter des Geheimdienstchefs Berija auf Knien zur Kirche gerutscht sei, um für die Verbrechen ihres Sohnes Buße zu tun.

Auch in Georgien ist das Christentum tief in der Identität von Kultur und Volk verwurzelt. Trotz siebzigjähriger verordneter Gottlosigkeit in der Sowjetunion hat sich hier wie in Armenien ein lebendiges Christentum erhalten. Georgien ist übersät mit Kirchen und Klöstern. Sie liegen oft an landschaftlich sehr schönen Stellen. Viele erinnern mehr an Burgen denn an Gotteshäuser. Der Glaube an den Nazarener wurde hier seit dem frühen Mittelalter von muslimischen Kämpfern bedroht, deren Grausamkeiten denen der christlichen Kreuzritter in nichts nachstanden. Später richteten mongolische Invasionen Unheil an.

Im Westen Georgiens lag das sagenumwobenen Land Kolchis, aus dem Jason nach altgriechischer Mythologie das Goldene Vlies geholt hat.  Georgien reicht im Norden an den Großen Kaukasus heran. Hier ist das Land besonders wild. Wehrhafte Kirchen blicken von steilen Bergen in tiefe Schluchten. Heute ist dieses Gebiet Kachetien immer noch schwer zugänglich und dennoch bekannt für eine Besonderheit. Der Weinanbau ist ca. 7000 Jahre alt. Man keltert dort heute Wein in Gefäßen unter der Erde. Er soll dadurch ein spezielles Aroma erhalten. (Dem Verfasser schmeckte er recht unterirdisch.)

Betritt man Aserbaidschan, überquert man die Grenze zu einem anderen Kulturraum. Alte (vergleichsweise bescheidene) Schahpaläste, Moscheen, muslimische Friedhöfe, Gebetsrufe der Muezzine, bunte Geschäfte, quirlige Märkte, der Orient nimmt einen gefangen. Die Fahrt zur Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer durch ein langgestrecktes Tal gestaltet sich sehr reizvoll. Rechts die Kette des Kleinen Kaukasus, links beständiger Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Großen Kaukasus. Das zunächst grüne Tal verwandelt sich in Trockensteppe, je mehr man sich Baku nähert. In Bergen nahe der iranischen Grenze findet man Felszeichnungen. Ihr Alter wird bis in die Bronzezeit zurück geschätzt.

An vielen Stellen blubbern kleine Schlammkrater. Erdgas tritt aus. Die gesamte Region birgt riesige unterirdische Erdölfelder. Am Strand des Kaspischen Meeres (exakt: See) nördlich von Baku erstreckt sich ein langer Schrottplatz von Ölpumpen und -leitungen. Erstaunlicherweise lässt sich damit noch Öl fördern und transportieren. Vieles versickert. Das Wasser in Ufernähe schimmert dunkel. Der Sandstrand hat Ähnlichkeit mit einer frisch geteerten Straße. Baku selbst wirkt sauber.

Ein großzügiger begrünter Strandboulevard lädt zum Flanieren ein – wegen der Tageshitze aber nur abends. Einige Jugendstilbauten könnten eher in Riga stehen. Die orientalische Altstadt fällt langsam der Spitzhacke zum Opfer. Der sog. Schäferturm bleibt erhalten. Er bildet das Stadtsymbol. Von ihm hat sich einst eine Jungfrau in den Tod gestürzt, um eine solche zu bleiben. Unübersehbar ist der riesige Präsidentenpalast. Hier hat offenkundig Ceausescu für seinen Palast in Bukarest Maß genommen –  oder umgekehrt. –

Die nächste Reise führt in ein Königreich in den Wolken.

Text/ Foto: UM

    

    

 

 

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