Sudan – Brücke zwischen Ägypten und Schwarzafrika
25. Dezember 2016Landet man in Khartum, so empfängt einen noch im November eine Backofentemperatur von über 35 Grad im Schatten. Die Hitze hält nicht ab, auf Entdeckungstour zu gehen. Am einen Ufer des Nils erstreckt sich die Millionenstadt Khartum, am anderen die Großstadt Omdurman. Hier fließen Weißer und Blauer Nil zusammen. Nachdem im 19. Jahrhundert zunächst Ägypter und dann Engländer Teile des Sudans besetzt hatten, erhoben sich viele Stämme unter Führung des Mahdi, eine Art islamischer Messias, gegen die Fremdherrschaft, besiegten den englischen Befehlshaber Gordon, der Khartum eigentlich hatte räumen sollen, und errichteten in den 1880er und 1890er Jahren eine Mahdiya. Heute würde man es Gottesstaat nennen. Die Engländer beendeten diesen ersten flächendeckenden Aufstand gegen Kolonialherrschaft und gliederten den Sudan bis Ende 1955 in ihr Kolonialreich ein.
In Omdurman beherbergt das Haus des ersten Mahdi bzw. seiner Nachfolger als ein nationales Heiligtum ein Museum. Vor ihm erhebt sich das Mausoleum des Mahdi in Form einer großen Eisbombe. Auf der anderen Nilseite in Khartum sollte man das Nationalmuseum nicht versäumen. Es birgt Schätze aus dem sudanesischen Altertum. Sie zeigen sowohl den altägyptischen als auch den schwarzafrikanischen Einfluss. Ägyptische Götter wie Amun oder die Göttin Hathor mit Kuhohren, -augen und -hörnern wurden ebenso verehrt wie der löwenköpfige Apademak, eine in Ägypten bis zur ptolemäischen Zeit unbekannte Gottheit. Die Kandarke, eine altsudanesiche Herrscherin oder hochrangige Frau im ägyptischen Ornat und mit schwarzafrikanischen Zügen, existierte in Ägypten nicht. Im Obergeschoss des Museums gibt es Ausstellungsstücke aus der bis ins 16./17. Jahrhundert reichenden christlich-koptisch-byzantinischen Prägung des Landes. Man entdeckt sogar die älteste erhaltene Darstellung der Heiligen Drei Könige. Sie sind zu Pferd auf dem Weg zur schwangeren Maria.
Nördlich von Khartum trifft man auf Spuren einer in Europa kaum bekannten alten Hochkultur. Das Reich von Kusch dauerte von ca. 750 v. Chr. oder früher bis etwa 300 n. Chr. und verschmolz ägyptische mit schwarzafrikanischen Elementen zu einer eigenen Kultur. Es stellte sogar Herrscher von Ägypten, die sieben schwarzen Pharaonen. Die neben einigen Tempeln bedeutsamsten Überreste dieses Reichs bestehen in über hundert Pyramiden. Im Sudan haben mehr bekannte Pyramiden überdauert als in Ägypten. Sie sind allerdings kleiner als die ägyptischen. Nach dem Ort Meroe, der vermutlichen späten Hauptstadt von Kusch, bei dem viele Pyramiden in der Wüste errichtet wurden, spricht man statt von Kusch auch vom Reich von Meroe. – Weiter nilabwärts verblüffen große Ziegelbauten der Kultur von Kerma. Diese Monumente von erstaunlichen Ausmaßen lassen sich auf 2500 v. Chr. datieren. D. h., sie wurden etwa zur gleichen Zeit errichtet wie die Zikkurate (stufenförmige religiöse Monumentalbauten) in Mesopotamien. Die Rekonstruktion einer Stadt um einen solchen nubisch-sudanesischen Ziegelbau zeigt, dass es hier eine Hochkultur mit festen Steinhäusern gab, als man nördlich der Alpen noch in Hütten aus Lehm und Holz lebte. Die Region war schon viel früher in feuchteren Zeiten besiedelt, wie Felsritzungen von Savannentieren zeigen.
Die kulturelle Vielfalt in der Wüste setzt sich entlang des Nils fort. Nubisch-ägyptische Tempel tauchen unvermutet aus dem Wüstensand auf. Oberhalb des dritten Nilkatarakts thront ein türkisches Fort, rätselhafte,halb zugewehte Säulen entpuppen sich als Teile einer alten christlichen Kirche, in ausgedörrten Bergen haben sich Mauern eines Einsiedlerklosters erhalten. Unterirdische Gräber verweisen mit ihrer Ausmalung nach Ägypten. Auf Amuntempeln finden sich Bilder der eindeutig schwarzafrikanischen Kandarke und des löwenköpfigen Apademak. Gegen dieses alte Erbe verblassen die Reste des englischen Einflusses in Form von Brücken und einem liebenswert-kitschigen, verstaubten Eisenbahnmuseum.
Neben allen Eindrücken früherer Kulturen bleiben die arabisch-afrikanische Geschäftigkeit der Märkte, die Hilfsbereitschaft der Nubier und deren Freundlichkeit, mit der man in den Oasen in bunt bemalte Häuser eingeladen wurde, in Erinnerung.
Der nächste Artikel stellt Ihnen fremde afrikanische Kulturen im Land von Bronzen und Voodoo vor.
Text/Bild: UM