Nachruf über Albert Radke

25. Dezember 2016

Sögel/Wallenhorst – Am 21. Oktober 2016 verstarb in Wallenhorst im Alter von 92 Jahren der Sögeler Künstler Albert Radke. Der im pommerschen Rederitz 1924 geborene Holzschnitzer und Bildhauer  hatte nach den Wirren des 2. Weltkriegs aus der Kriegsgefangenschaft kommend, 1946 in Sögel seine Heimat gefunden. Hier hat er sieben Jahrzehnte gelebt, gearbeitet und durch sein künstlerisches Schaffen lebensüberdauernde Kunstwerke hinterlassen.

Die Besonderheit des Ortes Sögel und die Schlossanlage Clemenswerth, in einer parkähnlichen Anlage gelegen, boten für Albert Radke immer wieder Anziehungspunkt für Spaziergänge. Die Lage des Ortes, eingebettet in den Hümmling mit seinen vielfältigen landschaftlichen Facetten und Menschen, die von ihrer Hände Arbeit leben, war für ihn ein Ansporn und Anreiz zur gestalterischen Auseinandersetzung.

Als gelernter Tischler beherrschte er das Handwerk und den Umgang mit dem Werkstoff Holz. Ab 1950 fertigte Albert Radke sakrale Gegenstände für Kirchen an, z.B. einen Altartisch für die Kapelle im Marstall Clemenswerth und Beichtstühle. Er restaurierte geschnitzte Statuen und stellte neue Eingangstüren für das Jagdschloss Clemenswerth her. Techniken der Bildhauerkunst und Holzschnitzerei eignete er sich in autodidaktischer Weiterbildung an. Als Schüler der Bildhauerin Büscher-Eilert in Horstmar, bei einem Krippenseminar bei Prof. Dr. Lohmeyer in Osnabrück und durch Naturstudien bei Prof. Frenken in Osnabrück fand Albert Radke zu seiner individuellen Ausdrucksform. Seine bäuerlichen Figuren, die Menschen bei der täglichen Arbeit darstellen, sind hierfür ein typisches Beispiel. Eine dieser Figurengruppen wurde im Rahmen einer großen Krippenausstellung 1990 in der Dominikanerkirche in Osnabrück ausgestellt. 2013 überließ Albert Radke der Gemeinde Sögel als Dauerleihgabe neun dieser Holzfiguren.

Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen entstanden größere Frauenfiguren, in denen Formschönheit mit der Maserung und dem Wuchs des Holzes harmonieren. Am 1. Juni 2000 wurde Albert Radke in Bad Essen mit dem „Deutsch Kroner Kulturpreis 2000“ für hervorragende Leistungen auf kulturellem und künstlerischem Gebiet ausgezeichnet. Ermuntert durch Heinz Thien wandte sich Albert Radke der Arbeit am Stein zu. Es entstand aus süddeutschem Sandstein geschlagen ein Denkmal für den Literaten Levin Schücking (1814 – 1883), der seine Kindheits- und Jugendjahre in Sögel verbracht hatte. 2011 fand diese Büste ihren endgültigen Standort neben dem Ludmillenhof. Es entstanden Werke, die mit Präzision,  sozusagen „Schlag für Schlag“ Zeugnis davon geben, dass auch dieser Werkstoff unter seinen Händen zu leben begann. Seit den 1990er Jahren wurden seine Skulpturen auf Gemeinschaftsausstellungen des Kunstkreises Sögel im Marstall Clemenswerth und im Ludmillenhof ausgestellt.

Eine künstlerisch intensive und erfolgreiche Zeit begann, als 1999 im Kunstkreis Sögel Albert Radke und Prof. Dr. M. Monika Niermann zusammenkamen. Als erstes gemeinsames Projekt wurde 2001 die Neugestaltung des Altarraums der ev. Stephanus-Kirche in Lathen  mit Altar und Kreuz, Kanzel, Ambo und Taufbecken aus heller nordischer Eiche fertiggestellt. Es folgte 2002 das Hensen-Denkmal in Sögel. Das aufwändigste Projekt,  die Ausstattung des katholischen Friedhofs in Sögel mit 14 großen Kreuzwegstationen wurde von 2002 bis 2004 umgesetzt. Der letzte öffentliche Auftrag konnte 2009 ausgeführt werden: Die Neugestaltung des Brandmals vor dem Feuerwehrhaus in Lorup. Diese vier größeren Aufträge zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass der Öffentlichkeit keine Kunstwerke  übergestülpt wurden. Vielmehr wurde in regem Austausch und enger Zusammenarbeit mit den kirchlichen und kommunalen Gemeinden von der ersten Planung bis zur Vollendung der Aufträge zusammengearbeitet. Unterschiedliche Entwürfe wurden auf öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt und diskutiert, Vorstellungen interessierter Personen und Gruppen mit einbezogen.

Damit waren aber noch längst nicht die Freude am Experimentieren und das Interesse an neuen Materialien und Techniken zum Erliegen gekommen. Vom kräftezehrenden Umgang mit Hammer und Meißel musste sich Albert Radke zwangsläufig verabschieden, entdeckte dann aber Pinsel, Leinwand und Farbe für sich. Wie drückte es ein Ausstellungsbesucher aus: „Ach, das wusste ich gar nicht. Malen kann er auch noch.“  Es entstanden in der Folgezeit überwiegend kleinformatige kolorierte Zeichnungen – einige davon sind im Keller des Ludmillenhof als Dauerleihgabe zu sehen. Albert Radkes kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen aus dem kirchlichen und politischen Leben spiegelte sich in seinen Kollagen und zeigte, dass ein kritischer und klarer Verstand am Werk war, auch wenn die körperlichen Kräfte immer deutlicher abnahmen. So präsentierte Albert Radke in drei großen Ausstellungen mit Frau Prof. Dr. Niermann 2006, 2009 und 2013 im Ludmillenhof neben seinen Plastiken seine zweidimensionalen Werke.

Sein künstlerisches Wirken hat in Sögel zeitüberdauernde Spuren hinterlassen. Zwei bedeutenden Personen, die in Sögel gelebt und gewirkt haben – dem Literaten Levin Schücking und dem Dombaumeister Johann Bernhard Hensen –  hat Albert Radke mit in Stein geschlagenen Denkmalen ein Gesicht verliehen und damit überregional bedeutende Werke geschaffen.

Seine letzte Ruhestätte fand Albert Radke auf dem katholischen Friedhof in Sögel.

Text: Dr. M. Monika Niermann / Fotos: Ingrid Cloppenburg

  

 

 

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