Gedenkveranstaltungen zur Pogromnacht in Sögel
9. Dezember 2015Sögel – Johanna Eichenwald, geb. am 01.09.1866, gestorben am 10.07.1941 in Riga; Hedwig Hesse, geboren am 4.9.1898, gestorben in Auschwitz; Georg Jacobs, geb. am 28.07.1902, gestorben in Auschwitz; Arthur Jacobs, geb. am 8.1.1933, gestorben in Auschwitz – dieser vier ehemaligen Einwohner aus Sögel wurde in der Gedenkfeier als Vertreter für alle weiteren Opfer der ehemaligen Sögeler jüdischen Bevölkerung zur Reichspogromnacht gedacht. Stolpersteine werden im kommenden Jahr in Sögel, Am Markt 14, entsprechend verlegt.
Die Gemeinde Sögel hatte zur Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht in die Schule am Schloss eingeladen. Zahlreiche Gäste, darunter auch viele Schüler, konnte Bürgermeisterin Irmgard Welling zur Gedenkfeier begrüßen. In ihrer Begrüßungsrede zog sie einen Bogen von der Verfolgung und damit verbundenen Flucht der Juden zur heutigen Flüchtlingsbewegung. Sie distanzierte sich ausdrücklich von der Hetze gegen die Demokratie. „Das Flüchtlingsunterkünfte attackiert werden, die Pegidabewegung überhaupt möglich ist, halte ich für einen Schlag ins Gesicht unserer Werte.“
Die inhaltliche Gestaltung der Gedenkfeier wurde vom Wahlpflichtkurs Geschichte der Klasse 8 mit ihrem Lehrer Jürgen Jansen vorgenommen. Sie berichteten, wie schwer vorstellbar es für sie sei, wie so eine Judenverfolgung mit ihrem ganzen Hass überhaupt möglich gewesen ist. Dabei übten sie durchaus auch Selbstkritik: „Doch bei genauerem Hinsehen mussten wir uns eingestehen, dass das auch heute noch manchmal der Fall ist. Ausgrenzung, Mobbing, Beleidung und Einschränkungen gegen Minderheiten, auch religiöser Art, sind heute noch an der Tagesordnung.“ Anhand vorgelesener Nachrichtenschnipsel aus verschiedenen Medien der damaligen und heutigen Zeit umrissen sie schlaglichtartig die Entwicklung der vergangenen 76 Jahre. Zwei weitere Schüler berichteten eindrucksvoll in rumänischer und russischer Sprache, die von ihren Mitschülern synchron auf Deutsch übersetzt wurden, von den Flüchtlingserfahrungen ihrer Familien. Als Erinnerung an die Opfer der Familien Eichenwald, Hesse und Jacobs wurden von den Schülern Kerzen angezündet. Eine Gedenkminute wurde abgehalten.
Wellings Lob galt den Schülern für die gute und bemerkenswerte Vorbereitung der Veranstaltung. Gleichfalls sei sie stolz auf die Gemeinde Sögel, die mit dem Bau von Flüchtlingshäusern, der Einstellung eines Flüchtlingsbeauftragten und einer Willkommenskultur zeige, dass sich etwas in Sögel geändert habe. „Wir lassen uns nicht beirren vom rechten Gedankengut. Wir helfen, statt abzuweisen – wir nehmen auf, statt zu bekämpfen“, zeigte Welling sich bewegt. Für sie sei der Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel „Wir schaffen das!“ der Satz des Jahres.
Text: Ingrid Cloppenburg / Foto: Gemeinde Sögel