Sterben in Würde
1. November 2015Podiumsgespräch mit MdB Gitta Conneman beleuchtet das Thema Sterbebegleitung auf dem Hümmling
„Sterben in Würde“ – darüber diskutierten jetzt auf Einladung des CDU-Ortverbandes Sögel der Palliativmediziner Dr. Heinrich Lange, der Theologe und Vorsitzende des Sögeler Hospiz-Vereins, Michael Strodt, die Leiterin des Palliativstützpunktes Nördliches Emsland, Martina Mensen, zusammen mit der MdB Gitta Connemann, die sich intensiv dem Thema widmet.
Wie können wir eigene Ängste überwinden und uns dem Thema Sterben in einer Art Trauer-Kultur angemessen zuwenden?“ fragt Michael Strodt angesichts der Befangenheit dem Thema Sterben und Tod gegenüber.
„Im November wird der Deutsche Bundestag über vier Anträge zur Suizidbeihilfe abstimmen. Es ist für uns alle eine höchst persönliche Entscheidung. Deshalb gibt es kein Richtig oder Falsch. Diese Veranstaltung hilft mir bei der Entscheidungsfindung“, sagte Connemann. Sie verstand es, die Zuhörer in das komplexe, schwere und hoch emotionale Thema einzubeziehen. Connemann gab Informationen über die derzeitige gesetzliche Regelung in Deutschland und den übrigen EU-Staaten. Und sie stellte die vier Gruppenanträge vor, über die im November im Bundestag beraten werden soll. „Wir sind uns weitgehend einig: es darf kein Geschäft mit dem Tod geben. Aber die Frage ist: soll Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt sein?“, fasste Connemann die Debatte im Bundestag zusammen. „Egal, für welchen Antrag wir uns am Ende entscheiden, das Thema der Palliativversorgung hat in Deutschland Fahrt aufgenommen. Es liegt jetzt der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland vor“, sagte die Bundestagsabgeordnete. Und das sei gut. „Wir brauchen mehr und intensivere Palliativ- und Hospizangebote.“
Strodt und Mensen sprachen sich gegen eine Ausweitung der bestehenden Gesetzesregelung aus und forderten den Ausbau der Palliativmedizin und der Hospizarbeit. Nötig sei auch eine Enttabuisierung von Sterben und Tod in der Gesellschaft. Wichtig sei ein lebenslanges Einüben in das Sterben.
Insbesondere wandte sich der Theologe Michael Strodt gegen die Formulierung eines selbstbestimmten Sterbens: „Ich bin skeptisch, ob es Selbstbestimmung in dem Sinne überhaupt gibt. Wann kann ich sicher sein, selbst zu entscheiden oder doch von meinen Schmerzen, Ängsten oder anderen Menschen fremdbestimmt zu sein?“ Genau hier fange es an, den Menschen als Menschen mit seinen Ängsten zu begegnen und ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. „Die vielen Sterbebegleitungen habe ich als Geschenk empfunden. Dabei wurde mir deutlich, wie gut es ist, auch im Sterben noch Zeit zum Lernen und Lachen zu haben, Zeit zum Loslassen und zum Vergeben. Sterben als Teil des Lebens zu begreifen, hat unsere Gesellschaft leider verlernt. Ich will in dem Land, in dem ich lebe, nicht zum Sterben genötigt werden!“
Wie ein Sterben in Würde und auch in den meisten Fällen ohne Schmerzen möglich ist, erläuterten Martina Mensen vom Palliativstützpunkt und Dr. Lange als Palliativmediziner vor Ort. „Als Palliativmediziner sehe ich es als meine Aufgabe an, einen würdevollen Tod zu ermöglichen. Mit den Sterbenden mitzugehen, ist eine Aufgabe für uns alle.
Dabei spielen dann letztlich die Schmerzmedikamente eine untergeordnete Rolle.“ Lange machte deutlich, dass die Palliativmedizin bisher noch viel zu wenig bekannt sei, auch bei Ärzten und Pflegepersonal, und sprach sich dafür aus, dass Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime ihre palliative Kompetenz erweitern. Wichtig sei ihm auch, es den Menschen zu ermöglichen, Zuhause zu sterben. Lange sieht es als ärztliche Pflicht an, einen Menschen, der im Sterben liegt, auch sterben zu lassen.
Den Sterbeprozess und Tod sieht Mensen als ein Hineingeborenwerden in eine neue Situation „Ein Leben möchte auch zu Ende gelebt werden. Ich plädiere dafür, dem Leben eine Chance zu geben: Leben bis zuletzt! Auch den Kindern sollte eine Chance gegeben werden, den Eltern in dieser Phase etwas zurückzugeben“, sagte die Leiterin des Palliativstützpunkte Nördliches Emsland.
Text/Foto: Ingrid Cloppenburg