Gedanken zur jüngeren deutschen Geschichte (Fortsetzung)

1. April 2015

Durchbruch der Aufklärung

Die Aufklärung erreicht ihren Durchbruch mit Renaissance und Humanismus. In der Renaissance (Wiedergeburt) steht zunächst die Rückbesinnung auf die  griechisch-römische Antike im Mittelpunkt.

Ihr Stil und ihr Menschenbild werden in Kunst und Literatur zum Maß, ob immer zu Recht, sei dahingestellt und führen zur Einzigartigkeit des Individuums Mensch. – Der Humanismus

(lat. humanitas = Menschlichkeit) bildet zumindest in Teilen eine theoretische Überhöhung der Renaissance. Er setzt auf die Kommunikation gedanklich freier, vernünftiger menschlicher Einzelwesen.

 

Auch die Reformation (lat. reformare = zurückbilden) lässt sich als Teil dieses Zeitgeistes begreifen. Es gab vor Luther schon viele Reformatoren, die die katholische Kirche in ihren Aussagen, Dogmen, Handlungen sowie Strukturen auf die Bibel „zurückbilden“ wollten. Diese Reformatoren wurden entweder in die kath. Kirche integriert (z. B. Franz von Assisi) oder als Ketzer von der Amtskirche „nihiliert“, also als ein Nichts gestempelt, an dem man sich nicht orientieren dürfe und entsprechend unangenehm behandelt. Dass die Reformationen Luthers, der die Bedeutung des menschlichen Gewissens betonte, Calvins und Zwinglis sich durchsetzten, dürfte nicht zuletzt dem damaligen Zeitgeist geschuldet sein.

 

In Deutschland stellte sich die Aufklärung kaum gegen Religion und Staat. Luther meinte sogar, alle Obrigkeit komme von Gott. Immanuel Kant bleibt in seinem Artikel über die Aufklärung (siehe unten) insgesamt sehr staatstragend, um nicht zu sagen: obrigkeitshörig. Dagegen wandte sich in Frankreich die Aufklärung mehr und mehr gegen Religion und Kirche. Wegen der Ehe von Thron und Altar entwickelte sich die aufklärerische Mentalität zum Sprengsatz für die Monarchie. Zum Kernbestand des aufgeklärten Denkens gehörte, dass die Vernunft gefördert werden müsse, um die Selbstverantwortung des Menschen zu stärken. Die Vernunft könne gefördert werden, indem der einzelne so viel wie möglich über die reale Welt erfahre. Daraus entwickelte sich in Frankreich die Bewegung der Enzyklopädisten. Sie versuchten, die gesamte Welt und deren Wissen in Enzyklopädien zu erfassen und damit für jedermann zugänglich zu machen. Dabei verließen die Enzyklopädisten den Boden exakten wissenschaftlichen Arbeitens, indem sie mit den Lexikonartikeln Diffamierungen insbesondere der Kirche verflochten. – Hier lässt sich bereits die Dialektik der Aufklärung (Adorno/Horkheimer) oder, grob ausgedrückt, die Widersprüchlichkeit der Aufklärung und ihrer Folgen in Ansätzen erkennen. Die sog. instrumentelle Vernunft Adornos und Horkheimers  wurde eingesetzt, um eigene Thesen, Ideen, Ideologien, teils auch Machtgelüste „wissenschaftlich“ zu begründen.  – Ein anderes Bündel von Thesen, das vor allem in Frankreich das Denken und später das Handeln beeinflusste, war die sogen. Priestertrugtheorie. Sie besagte kurz ausgedrückt, den vielen Armen, die im Absolutismus dahinvegetierten, verkündeten die Priester, jene sollten ihr Schicksal still erdulden, da sie dafür im Jenseits umso reicher entlohnt würden. Die Priester betrögen die Menschen, um sie vom Aufbegehren zurückzuhalten.

 

In Deutschland lehnte die Aufklärung Religion, Kirche, Monarchie und Staat weniger ab, verlangte aber nach einer Verfassung, die das Verhältnis zwischen Monarch und Volk regelte. Kant beantwortete die Frage: „Was ist Aufklärung?“ in einem Artikel mit der Definition, sie sei der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Dies kann man so interpretieren, dass sich die Unmündigkeit auch auf das Verhältnis des Individuums zum Monarchen oder Staat bezieht. (Allerdings stützt Kant in seinem Artikel mehr den Ausspruch des Preußenkönigs Friedrich: „Mögen sie räsonieren, solange sie parieren.“)

 

In Frankreich mündete die Aufklärung in die Französische Revolution und verkehrte sich dann mit dem jakobinischen Terror und den napoleonischen Kriegen ins Gegenteil (siehe Dialektik der Aufklärung und instrumenteller Einsatz der Vernunft). In  Deutschland entwickelten sich freiheitliche Ideale vor sowie mit den Befreiungskriegen. Diese Ideen wurden nach der Ermordung des Dichters Kotzebue durch den Studenten Sand unter der Regie Metternichs mit den sogen. Demagogenverfolgungen zurückgedrängt – gegen Demokraten helfen nur Soldaten –, die Ideale blieben jedoch in den Köpfen und wurden später auf dem Hambacher Fest von Burschenschaften erneut eingefordert. Gleichwohl blieb die Restauration, die mit dem Wiener Kongress eingesetzt hatte, unüberwindlich, so dass erste demokratische Ansätze auf sich warten ließen.

Text/Bild: UM

  

  

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