Schauspieler auf der Waldbühne Ahmsen
6. Oktober 2014Ein Sögeler erzählt
Er führte sein Volk durch die Wüste, teilte die Fluten und bekam dafür auf der Waldbühne Ahmsen tosenden Applaus! Moses, gespielt von Mario van der Ahe aus Klein Berßen, hat sein Kostüm allerdings längst zurück in den Fundus gehängt. Die Spielsaison in Ahmsen ist für dieses Jahr vorbei und 160 Laiendarsteller blicken auf einen äußerst erfolgreichen Sommer zurück – sechs Spieler stammen übrigens aus der Samtgemeinde Sögel. Es war anstrengend; drei Monate lang wurde unter Hochdruck geprobt, ganze Wochenenden verbrachte man auf der Bühne und darüber hinaus noch viele Abende unter der Woche und das alles neben Beruf und Familie und dazu noch ehrenamtlich! Doch der Applaus ist des Schauspielers größter Lohn, und das würde in Ahmsen jeder Darsteller sofort unterschreiben! Nicht umsonst blicken viele Spieler bereits auf eine Bühnenmitgliedschaft von 20, 40 und noch mehr Jahren zurück. Nach der intensiven Proben- und Spielzeit kann zwar jeder wieder uneingeschränkt seinem Leben abseits der Schauspielerei nachgehen, und dennoch wird die ganz besondere Atmosphäre auf und hinter der Bühne von vielen vermisst. Das erlebt in diesen Tagen auch Johannes Wigbers aus Sögel. Er wirkte zum ersten Mal als Spieler auf der Waldbühne Ahmsen mit und bezeichnet die durchaus aufregende Zeit als „pure Freude“. „Es herrscht eine große Verbundenheit unter den Spielern; da fühlt man sich schnell wohl, und ich habe auf jede Probe und später jede Aufführung hingefiebert. Einfach weil es so einen Spaß macht, dabei zu sein!“ Der 32-Jährige hatte durch VHS-Kurse Freude am Schauspiel gefunden und sich prompt in Ahmsen beworben. „Irgendwann Anfang des Jahres kam dann die schriftliche Einladung zur Rollenverteilung. Da habe ich mich schon sehr gefreut, dass das so einfach geklappt hat.“ Johannes Wigbers hatte als neuer Spieler im Ensemble zunächst eine Nebenrolle im Stück „Michel aus Lönneberga“ bekommen. Viel Text hatte er noch nicht, aber das ist normal, wenn man gerade erst anfängt. „Eine viel größere Herausforderung ist dann nämlich die Mimik. Wenn man keinen Text hat, kann man ja auch mit Mienenspiel eine Situation auf der Bühne kommentieren. Außerdem sollte man immer mit etwas beschäftigt sein, um so dem Zuschauer zu vermitteln, dass man Teil des Stücks ist und nicht nur „als Deko“ auf der Bühne herumsteht“, lacht der Sögeler. Am Anfang der Aufführung sieht man Wigbers noch in einer Soldatenuniform, kurz darauf zieht er als „Lumpenmann“ mit einer Menge Requisiten durch das Spielgeschehen. Auf das jeweilige Stichwort hin die Bühne zu verlassen, sich schnell umziehen, um kurz darauf wieder im neuen Kostüm zu erscheinen, das sei mitunter das Aufregendste gewesen, berichtet der Jungschauspieler. Schließlich musste er für seinen nächsten Einsatz wieder zeitig zur Stelle sein, um auch seine Schauspielkollegen nicht in eine missliche Lage zu bringen. Seine Requisiten habe er immer parat gehabt und mit den gefürchteten Texthängern (Text vergessen, Blackout) habe er auch keine Bekanntschaft gemacht. Nur einmal, ausgerechnet auf der Premiere, da hat kurzfristig ein Mikrofon eines Mitspielers versagt, und so hat Wigbers sein Stichwort für seinen Einsatz nicht sofort gehört. Es kam aber nur zu einer kurzen Verzögerung und das Publikum habe nichts gemerkt. „Das ist das Wichtigste“, lächelt der Laiendarsteller verschmitzt. Gefreut habe er sich, wenn er bei seinem Auftritt tatsächlich einen Applaus bekommen hat. Das war allerdings eher in Aufführungen der Fall, in denen viele Erwachsene im Publikum saßen. „Die Figur des Lumpenmannes kennen die meisten Kinder nicht. Heutzutage ziehen kaum noch Leute herum und sammeln Altmetall oder Kleider. Daher konnte das junge Publikum vielleicht gar nicht so viel mit dem „Lumpenmann“ anfangen. Bei den sogenannten Schulaufführungen gab es dann regelmäßig keinen Applaus. Wenn die Kinder aber mit den Eltern kamen, wurde bei meinem Auftritt tatsächlich geklatscht.“ Freut sich Wigbers noch im Nachhinein. Das 80-Spieler-starke Ensemble des Kinderstücks sowie die Darsteller von „Moses – die 10 Gebote“ haben zwar für dieses Jahr die Spielsaison hinter sich, allerdings muss erstmals keine Wehmut über die viel zu schnell vergangene, schöne Zeit aufkommen. In diesem Jahr ist die Theaterproduktion nämlich über sechs Monate hinweg mit der Kamera begleitet worden. Und zwar von der Rollenverteilung, über die Proben, bis hin zur Premiere. Alles, was Johannes Wigbers und seine Kollegen während der Zeit erlebt haben, ist festgehalten worden. Da fühlte sich der eine oder andere auch schon mal „ziemlich beobachtet“. „Über ein halbes Jahr muss eine Menge Filmmaterial zusammengekommen sein, und natürlich ist das erst ungewohnt, wenn man nahezu ständig gefilmt wird. Aber schließlich wird dadurch unsere Arbeit dokumentiert, und das hat uns alle immer neugieriger auf das Endprodukt gemacht.“ In dem 90-minütigen Film wird vor allem das gezeigt, was der Theaterzuschauer im Publikum nie zu sehen bekommt. „Ich denke, das hebt den Stellenwert unserer Arbeit noch einmal ganz besonders, wenn man sieht, was alles hinter den Kulissen passiert. Die Wenigsten können wahrscheinlich erahnen, was es heißt, ein Stück auf die Bühne zu bringen. Und damit meine ich nicht nur die Proben. Kostüme, Maske, Bühnenbau, Technik – alles, was der Zuschauer als selbstverständlich empfindet, ist für uns Spieler und das Stück unverzichtbar.“
Johannes Wigbers ist überzeugt von seiner Entscheidung, nun der Spielschar der Ahmsener Waldbühne angehören zu wollen. Dort ist es seit der letzten Aufführung allerdings still geworden. Die Requisiten sind längst verstaut und die Kulisse wird demnächst eingewintert. Erst im Februar wird man sich für die kommende Saison treffen, damit im März wieder mit den Proben begonnen werden kann.
Text/Foto: Ursula Hensel