Anmerkungen eines emsländer Neubürgers

2. Februar 2014

Beobachtungen an einem IfS-Leser

Neulich betrachtete ich einen Mann auf einer Parkbank, der in einem Heft blätterte. Er sah sehr grobschlächtig aus, hatte ungehobelte Gesichtszüge und pulte sich in einem Ohr. Igitt, war ich froh, daß ich nicht neben ihm saß, denn er verströmte bestimmt unangenehme Gerüche. Zu meiner Verblüffung las er in den IfS. Er wirkte aufmerksam und konzentriert. Gelegentlich huschte ein feines Lächeln über sein Gesicht. Dann schlug er eine Seite mit einem Artikel von mir auf. Das mußte ein intelligenter Mann sein, wie seine feinsinnigen und gut geschnittenen Gesichtszüge belegten. Er blätterte an meinem Artikel vorbei. Er hätte ihn bestimmt nicht verstanden, so tumb wie er auf die IfS stierte. Ich fragte mich, ob er überhaupt lesen könne. Bestimmt glotzte er nur in die IfS, um sein Analphabetentum zu verbergen. Hielt er das Heft nicht sogar auf dem Kopf? Jetzt näßte er seine ohnehin fettigen Finger im Mund, um einige Seiten zurückzuschlagen. Dabei verharrte er wieder bei meinem Artikel. Gesicht und Körperhaltung zeigten ein hohes Maß an Verständnis und Einfühlung. Einen so differenzierten und freundlichen Menschen möchte ich als Nachbarn haben. Seine feingliedrigen Hände hielten das Heft und schlugen es zu. Was tat dieser Rüpel jetzt? Er hatte in seiner Begriffsstutzigkeit bestimmt nichts verstanden. Ist auch besser so. Man sollte Perlen nicht vor die Säue werfen. Er ließ das Heft in einen Papiekorb fallen. Dabei malten seine Kiefer unentwegt. Sicherlich schmatzte er. Ich muß bei der Gemeindeverwaltung vorstellig werden, ob einem solchen Mensch nicht das Betreten des Gemeindegebiets verboten werden kann. Nun fischte er das Heft mit seinen haarigen Pranken wieder aus dem Papierkorb und schlug die Seite mit meinem Artikel auf. Der Mann war mir ausgesprochen sympathisch. Wie könnten Freunde werden. Er riß meinen Artikel aus dem Heft. Ganz bestimmt wollte er ihn mitnehmen und seinen Kindern zeigen. Ich sollte ihn nach seiner E-Mail-Anschrift fragen, um ihm noch einige Artikel zu senden. Vielleicht wünschte er ein Autogramm von mir. Wir könnten uns öfter zu einem historisch-literarischen Kolloquium treffen. Nun nahm er seinen Kaugummi aus dem Mund, wickelte ihn in die Seite ein und schmiß alles in den Papierkorb.

Als ich schweißgebadet und am ganzen Körper zitternd nach Hause kam und nur noch unartikulierte Laute von mir gab, hat meine Frau für mich einen Termin beim Psychiater gemacht.

Text:Uwe Müller (frei nach Ephraim Kishon)

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