Hermanns Traum
1. September 2013Sögel – Starker Regen und ein aufgeweichter Rasen halten die Spieler der inklusiven Altherrenmannschaft Sigiltra Sögel nicht ab, den Fußballplatz des Sportvereins Blau-Weiß Lorup zu stürmen. Mit Eckschüssen und lockerem Kicken wärmen sich die Mannschaftskollegen aus Sögel auf. Dann geht es los: beide Mannschaften kämpfen um den Ball. Weder der Torwart noch die Feldspieler werden von dem Gegner verschont, und so kommt es zu spannenden Zweikämpfen und glanzvollen Paraden des Schlussmanns.
Das Besondere an der Sögeler Mannschaft ist, dass sich Spieler mit einer geistigen Behinderung und 10 Altherren regelmäßig gegnerischen Mannschaften stellen. Die Grundlage der seit zwei Jahren bestehenden Mannschaft ist der Torwart Hermann, ein 25-jähriger junger Mann, der Spaß am Fußballspielen hat. Hermann hat eine geistige Behinderung, die es ihm all die Jahre zuvor unmöglich machte, sich einfach so einem Fußballverein anzuschließen. Bei der Aktion „Wünsch dir was“ des Vitus-Werkes in Meppen hat Hermann, der in einer der Werkstätten für Menschen mit Behinderung arbeitet, seinen größten Wunsch geäußert: „Ich möchte Fußball spielen.“
Für die Ü-50 Mannschaft aus Sögel war klar: Sie lässt diesen Traum wahr werden. Hermann wurde zum Training der schon bestehenden Altherrenmannschaft eingeladen und wurde schnell zu einem Mitglied des Teams. Hermann folgten weitere Bewohner aus dem Vitus-Werk. Alle sind begeistert von der neu aufgestellten Truppe. „Durch die Einbeziehung der Mitspieler mit Behinderung hat sich das Gemeinschaftsgefühl in unserer Mannschaft erheblich verbessert. Unsere Mannschaft ist gefestigter, lebendiger und offener geworden“, findet Paul, einer der Altherren. Seitdem stellen sich die Sögeler wöchentlich anderen Fußballmannschaften aus dem Emsland.
Doch nicht nur den Spielern ist es zu verdanken, dass sich die Fußballer aus dem Vitus-Werk regelmäßig anderen Mannschaften stellen können. Auch die tatkräftige Unterstützung von freiwilligen Helfern macht es möglich, dass die Jungs dabei sein können. Willi Partmann ist ehrenamtlicher Mannschaftsbusfahrer, der die Spieler fährt. „Unser Sohn hatte das Down-Syndrom und ist Ende 2010 verstorben. Er war auch im Vitus-Werk. Wir wissen, dass Menschen mit Behinderung von Unterstützung profitieren. Die Erfahrung, die wir gemacht haben, können wir nicht einfach abrupt auslöschen. Wir müssen alles weitergeben. Ich nehme am liebsten Menschen mit Behinderungen mit, weil sie immer freundlich und gut gelaunt sind. Das tut gut“, antwortet der sympathische Rentner auf die Frage, warum er sich in seiner Freizeit freiwillig engagiert.
Sogar der 24-jährige Jan Christian Meier, Profi beim Regionalligisten SV Meppen, ist das Gelingen dieser besonderen Mannschaft wichtig. Er trainiert die Jungs vom Vitus Werk einmal die Woche neben seinen eigenen Trainingseinheiten. „Ich will etwas mit Menschen machen, im Büro sitzen ist nichts für mich.“
Und das Training macht sich bemerkbar, auch wenn die Sögeler am Ende das Spiel mit 3:4 verlieren. Erschöpft, aber fröhlich, verlassen alle das Feld. „Es geht nicht ums Gewinnen, sondern ums Mitmachen“, sagt Jan und verschwindet mit den anderen in der Umkleidekabine. Frisch geduscht gibt es dann noch das verdiente Bier nach dem Spiel.
Text/Foto: Michael Knüpper