Der Europäische Geschichtsweg: Vom Humanismus und der Aufklärung über den Absolutismus zur Französischen Revolution
1. September 2013Der EGW enthält eine große Lücke. Das Hochmittelalter, das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit fehlen. Kreuzzüge, Reformpapsttum und Canossa, die Auslöschung des christlichen Ostroms und das türkisch-islamische Vordringen in Südosteuropa sind nicht präsent bzw. werden nur auf Stelen über andere Ereignisse erwähnt. Diese Lücke mag für den Historiker bedauerlich sein, der geschichtlich Interessierte kann sie ohnehin mit seinem Wissen ausfüllen, sie ist aber der Tatsache geschuldet, dass Jugendliche aus vier Ländern mit den Stelen zeigen sollten, was aus ihrer nationalen und altersgemäßen Sicht von der europäischen Geschichte zu erwähnen ist.
Der EGW setzt wieder ein mit Erasmus von Rotterdam (1466 – 1536), einem der wichtigsten Vertreter von Humanismus und frühaufklärerischem Gedankengut, schließt mit den 95 Thesen Luthers im Jahr 1517 an, führt weiter 1543 mit Nikolaus Kopernikus, der die Sonne und nicht die Erde im Mittelpunkt sah und beendet zunächst die Reihe früher Vertreter der Aufklärung mit der calvinistischen Reformation der niederländischen Provinzen im Jahr 1560.
Im Jahr 1638 kommt der französische Thronfolger zur Welt und erlangt später als Sonnenkönig Ludwig XIV. europaweite Bewunderung und Nachahmung. Er betrachtet sich selbst als die Verkörperung des Staates – der Staat bin ich – und hat damit bei der Zentrierung Frankreichs auf ihn sogar recht. Das teilweise Gegenstück ist der preußische König Friedrich II., genannt der Große. Er ist nicht viel weniger kriegerisch als Ludwig XIV., herrscht selbstbezogen-absolut, definiert sich jedoch als ersten Diener seines Staates und ist von aufklärerischem Gedankengut „infiziert“, handelt aber nur sehr eingeschränkt danach als sogen. aufgeklärter absoluter Herrscher. Zwischen diesen beiden Monarchen stehen Stelen zum Westfälischen Frieden 1648 aus deutscher und niederländischer Sicht sowie die für die weitere religiös-geistig-politische Entwicklung Europas ungeheuer wichtige Befreiung Wiens 1683 von osmanischer Belagerung durch ein deutsch-österreichisch-polnisches Heer unter dem großen Polenkönig Johann III. Sobieski.
Die Aufklärung gewinnt sozusagen wieder an Fahrt mit den französischen Enzyklopädisten 1751, der Französischen Revolution und der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in der französischen Nationalversammlung 1789 sowie der Annahme einer für die damalige Zeit sehr demokratischen Verfassung durch das polnische Parlament im Jahr 1791. Diese für die absoluten Regierungen der Nachbarn Polens, nämlich Preußen, Russland sowie Österreich, gefährliche Verfassung wurde zusammen mit dem Land durch dessen letzte Teilung getilgt.
Text/Foto: Uwe Müller