Himmelfahrtswallfahrer einst und jetzt
2. August 2013Wenn man den Zustrom von nah und fern zur Wallfahrt und Kirmes nach Clemenswerth heute betrachtet und dann Vergleiche zieht mit der Zeit vor etwa 100 – 120 Jahren, so zeigt sich der gewaltige wirtschaftliche Fortschritt des letzten Jahrhunderts. Während früher fast alles „auf Schusters Rappen“ – Kastenwagen und Kutschen ausgenommen – herangepilgert kam, sieht man heute, wenn man vereinzelte Prozessionen nicht mitrechnet, kaum noch einen Fußgänger; mit Fahr- und Motorrädern, Autos und Omnibussen kommen sie auf besteinten Wegen heran. Größere Entfernungen werden rasch und mühelos überwunden.
Wie war das doch früher ganz anders! Einsam, fast traurig schlängelte sich der sandige, von ungezählten Heidschnuckenfüßen festgetretener Weg durch die braune Heide. Das einzige Wegzeichen war die fortlaufende Wagenspur, die sich von Zeit zu Zeit mehr oder weniger verlor. Menschliche Wohnstätten gab es zwischen den fest zusammengeschlossenen und räumlich weit von einander entfernten Ortschaften nicht. Die einzige Abwechslung und erwünschten Platz zum Ausruhen boten einige kümmerliche Birken, die zufällig am Wege aufgeschossen waren. Durch solch einsame und öde Wege arbeitete sich mühsam der Pilgertrupp: die Frauen mit hochgeschürztem Kleid, unter dem der seidene, bis zu den Knöcheln hinabreichende Futterrock das Feiertagsmäßige der Gewandung erkennen ließ; die Männer im dunklen Sonntagsrock mit wehenden Schößen, das schwarzseidene Halstuch über dem „Schamisken“ zu einer feierlichen Schleife geknotet, die schwarzseidene Mütze mit blankem Schirm im Genick und über der Schulter einen derben Eichenstock, an dem der „Puck“ mit dem Reisebedarf hing. So war es einst.
Alle Zustände aber sind zeitbedingt. Schon während der Amtszeit Schückings (Schücking war von 1810 bis 1833 Amtmann und Richter in Sögel) wurden die Wegeverhältnisse verbessert. Schücking ließ nämlich alle Wege mit Richtung auf die Kirchtürme anlegen. Dadurch erreichte er, dass die Wege zur kürzesten Verbindung zwischen zwei benachbarten Orten wurden. Außerdem wurde das feste, als Schafweide dienende Feld nicht durch Wegstrecken unterbrochen, und es war so leicht möglich, die die Ortschaften umgebenden Kulturländereien durch Wälle gegen die Hochwildplage zu schützen. Die so geschaffenen Wege wurden durch Birkenpflanzungen eingesäumt. Wo die durchlaufende gerade Linie auf den Kirchturm nicht zu erreichen war, wurden künstliche Knicke angelegt, um wenigstens für eine längere Zeit den Kirchturm in der Verlängerung zu haben. Wer sich durch eigene Beobachtung von der hier gekennzeichneten Art der Wegeanlage überzeugen will, der gehe nur auf die Straße Ostenwalde – Werlte oder Werlte – Lorup oder Sögel – Lorup (alter Feldweg), und er wird den Kirchturm als Richtzeichen am Ende der Straße aufragen sehen. Nach und nach erhielten die Hauptverkehrsstraße Pflasterung, und vor 50 Jahren trat als neues, umwälzendes Verkehrsmittel das Fahrrad in die Reihe der Bewegungseinrichtungen und begann bald das Straßenbild umzuformen. Die nachfolgenden Jahrzehnte brachten mit Bahn, Auto oder Motorrad neue Bequemlichkeiten für die Teilnehmer an der Himmelfahrtsfeier, und heute sind wir so weit, dass kein Fuß mehr in Marsch gesetzt werden muss, um das Fest auf Clemenswerth zu feiern. O Wandel der Zeiten! Doch die Gesinnung ist dieselbe geblieben. Und das ist eine Wertständigkeit, die den Hümmlinger ehrt.
Text: Josef Möhlenkamp, Archiv Gemeinde Sögel