Zur Zukunft der Erinnerung
1. März 2013Sögel – Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus – der Tag der Befreiung des KZ- und Vernichtungslagers Auschwitz im Jahr 1945 durch die Rote Armee.
In Sögel wählte man diesen Tag, um an das Schicksal der ermordeten jüdischen Mitbürger zu erinnern. Ein solcher Gedenktag sollte auch Anlass sein, um generelle Fragen zu stellen und nachzudenken über die Zukunft der Erinnerung.
Wesentliche Gründe dafür sind:
– der Abschied von der Zeitzeugengeneration,
– der zuwanderungsbedingte Wandel in der Gesellschaftsstruktur sowie
– ein verändertes Informationsverhalten durch mediale Vielfalt und Nutzung virtueller Quellen.
Wie also künftig erinnern? Welchem Zweck kann das historische Erinnern an die Verbrechen der Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts dienen? Was ist daraus zu lernen für eine universale Menschenrechtserziehung? Es gilt, zukunftsweisende Antworten zu finden, die über den Ansatz der klassischen historisch-politischen Bildung hinausgehen. Das Bekenntnis zum „Nie wieder“, Dokumentation der Verbrechen und würdiges Totengedenken für sich gesehen, reichen heute nicht mehr aus auf dem Weg zu einer gefestigten demokratischen Zivilgesellschaft. Aufklärung und historisches Verstehen sollen Persönlichkeiten bilden, die sich gegenüber Rassismus und Gewalt widerständig verhalten können. Das Entwickeln und Festigen von Demokratiefähigkeit und Zivilcourage sind die erklärten Erziehungsziele.
Aktuelle Ereignisse und Forschungsergebnisse weisen deutlich auf die Notwendigkeit einer zukunftsorientierten Erinnerungsarbeit hin. Das Ergebnis der diesjährigen Juniorwahl mit knapp 5 Prozent NPD Stimmenanteil gibt mehr als zu denken. Nach dem Fazit einer Studie im Auftrag der Bundesregierung von 2011 besitzen 20 Prozent der Bevölkerung eine „latent antisemitische Einstellung“. Einer Untersuchung der Friedrich- Ebert- Stiftung von 2012 zufolge, verfügen 9 Prozent der Bundesbürger über ein „geschlossen rechtsextremes Weltbild“. Es stellt sich also die Frage, wie man solchen Entwicklungen effektiv und nachhaltig entgegenwirken kann. Zunächst ist festzuhalten, dass alle Bildungsinstitutionen, alle Erziehung wahrnehmenden Personen aufgerufen sind, sich des Themas anzunehmen. Gegen das Wegschauen, gegen das Mitläufertum, gegen rassistisch und fremdenfeindlich geprägte Stammtischparolen und für ein aktives Einstehen für Demokratie und Menschenrechte sind Aufforderungen an jeden von uns. Bewährte Möglichkeiten für eine Interesse weckende Erinnerungsarbeit eröffnet die Darstellung lokaler bzw. regionaler Geschichte. Mit Abschied von der Zeitzeugengeneration sind neue Wege zu finden für eine projektorientierte und aktivierende Erinnerungsarbeit. Denkzeichen wie die „Stolpersteine“, Gedenkstätten und Ausstellungen bereichern die örtliche Erinnerungslandschaft und können sinnvoll in die Projektarbeit eingebunden werden. Beispielhaft ist das Projekt „Sie waren unsere [jüdischen] Nachbarn“ anzuführen. Mit der historischen Aufarbeitung und Vermittlung in der Geschichts- und Zukunftswerkstatt will der Verein FORUM Sögel e.V. seinen Beitrag leisten zu einer zukunftsorientierten Erinnerungskultur.
Text: Bernd Eggert, Vors. FORUM Sögel e.V.