Kofferpacken mit Tiefgang: Rückblick auf eine Ausstellung zum Tod und zum Sterben
1. April 2011„Ein Koffer für die letzte Reise“ – dieser Gedanke bewegte im vergangenen Monat zahlreiche Besucher zum Denken, Diskutieren, Trauern, Weinen und auch Lachen. Schulklassen, Vereine oder Privatpersonen konnten nicht nur die Koffer begutachten, die seit einigen Jahren als Exponate einer Wanderausstellung durch die ganze Bundesrepublik ziehen, sondern auch die Gepäckstücke einiger Einheimischer in Augenschein nehmen.
So stellten Pfarrer Bernhard Horstmann und Samtgemeindebürgermeister Günter Wigbers auf vorherige Bitte ebenfalls einen Koffer zur Verfügung. Während Horstmann innerhalb von drei Stunden fertig gepackt hatte, tat sich Wigbers mit der Entscheidung schwerer.
Drei Tage lang habe er überlegt, was er denn auf seine letzte Reise mitnehmen solle. „Ich habe mich auch dabei ertappt, dass ich in der Ausstellung geflüstert habe“, sagte Wigbers und zeigte damit einen möglichen Erklärungsansatz auf. Die Ehrfurcht, der Respekt und die Andacht angesichts des Sterbens seien nicht in so kurzer Zeit zu bewältigen. Aber genau deshalb sei die Ausstellung ein „eindrucksvolles Projekt“, das einen „Blick in die Seele vieler Menschen gebe“. Sein Koffer solle in diesem Sinne zu einer „offenen Atmosphäre“ bei der Beschäftigung mit dem Tod beitragen und sei mit einem Augenzwinkern zu sehen.
Eine Packung „Merci“ als Dankeschön an denjenigen, der ihm das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen ermöglicht habe, und „Götterspeise“, da sie dem Schöpfer dem Namen nach ja schmecken müsse, seien der Inhalt und das Ergebnis eines Denkprozesses, an dessen Ende auch eine Veränderung über den Umgang mit dem Tod stehe. Ein Aspekt sei ihm dabei besonders wichtig. Zwar bedanke er sich für das Vergangene, doch im Grunde richte sich „der Blick nicht zurück, sondern nach vorne“.
Anders verhielt es sich bei Pfarrer Horstmann. Allein durch die tägliche Konfrontation mit dem Sterben, sei es für ihn nicht schwer gewesen, die Dinge zu finden, die er auf seine letzte Reise mitnehmen wolle. Ein Gartenzwerg, drei Bücher, Pfeife und Tabak fügten sich zu einer illustren Kombination, der interessante Erklärungen folgten. Der Gartenzwerg sei als Nicht-Symbol zu verstehen, das dem Ende der irdischen Existenz die Schwere und Ernsthaftigkeit nehmen solle. Darauf aufbauend packe er außerdem das Buch „Dunkle Nacht – Mystische Glaubenserfahrungen von Johannes vom Kreuz“ ein, dessen Theologie das Leben als Suche nach Gott verstehe. Dennoch wisse man, wonach man suche und finde sich trotz der Dunkelheit immer zurecht. Das Ziel vor Augen durchwandere man einen Reinigungsprozess der Erkenntnis und Erlösung. Dessen Resultat sei die Wahrheit und in dieser göttlichen Wahrheit wolle Horstmann über die irdische Wahrheit diskutieren. Aus diesem Grunde dürfe das Sachbuch „Du sollst nicht lügen“ Jürgen Schmieder nicht fehlen. Um das Ganze zu einem Genuss zu machen, seien eine Pfeife und guter Tabak notwendig.
„Ich wünsche mir eine kindlich aufgeklärte, demütig liebevolle Zuversicht in Bezug auf das Sterben“, resümierte Horstmann. Dies solle das Buch „Frag doch mal die Maus. Fragen zu Gott, der Welt und den großen Religionen“ verkörpern. Mit einer Portion naiven, unbekümmerten Staunens müsse man sich dem schwierigen Thema des Lebensendes nähern. Das sei zumindest die Theorie, doch wie sich die Praxis letztlich darstelle, bleibe natürlich ein großes Mysterium.
Welch unterschiedliche Dimensionen das Packen eines Koffers entwickeln könne, brachte Michael Strodt, Leiter der Jugendbildungsstätte Marstall Clemenswerth und Vorsitzender des Sögeler Hospiz e.V., zum Ausdruck.
Am meisten beeindruckt habe ihn der Besuch von Kindern mit ihren Fragen, die ihm gezeigt hätten, wie man „gut mit Trauer umgehen kann“. Ein Mädchen habe gesagt, es wolle nur einen Ball mitnehmen, mit dem sie zusammen mit ihrer Schwester auf einer Wolke spielen wolle.
Während sie das Bild gemalt habe, sei ihr eine Frage in den Sinn gekommen: „Hat meine Schwester wohl wieder lange Haare?“ Dieser Gedanke nehme ihm „jede Angst, gerade auch mit Kindern über das Sterben zu reden und mir den Himmel beschreiben zu lassen.“
Text: JB