Ein Gang über den Friedhof – Pastor Matthias Voss, ev. Markus Kirchengemeinde Sögel –
1. November 2010Ich gehe gern über Friedhöfe, das gebe ich zu. Die alten Bäume, mit geübter Hand in den Sand geharkte Muster, die Engel in Stein gemeißelt, Gedenken an die Verstorbenen. Manche Grabsteine erzählen kleine Geschichten: Da stehen nicht nur Namen und Daten, sondern auch ein Beruf. Oder ein Sinnspruch – aus der Bibel oder einem Gedicht. Ich lese das immer, meine Gedanken bleiben dann daran hängen.
Ich gehe gern über einen Friedhof. Hier werde ich auch einmal ankommen, denke ich dann. Zugegeben, das gibt manchmal das Gefühl einer Gänsehaut, aber das geht wieder vorbei. Wichtiger ist mir das Wort „Frieden“ im Begriff „Friedhof“. Genauso ist es, hoffe ich.
Der Tod bringt Frieden, jedenfalls dann, wenn meine Lieben und ich ein wenig vorbereitet sind. Wirklich überraschend ist ein Tod ja nie, wenn man es genau bedenkt. Er kann viel zu früh kommen oder ganz bitter sein, aber überraschend ist er nie. Alle werden sterben, das ist klar. Und doch leben manche so, als träfe der Tod immer nur andere. Tut er aber nicht. Er trifft auch mich. Und das weiß ich.
Darum will ich bereit sein. Ich weiß weder Tag noch Stunde, aber denken kann ich ja schon mal daran, wenn ich über einen Friedhof gehe. Und fragen kann ich mich: Habe ich eigentlich alle meine Angelegenheiten geregelt? Habe ich „mein Haus bestellt“, wie die Bibel das so schön nennt?
Habe ich meinen Lieben eigentlich schon gesagt, was für mich zu einer Trauerfeier dazu gehört? Ein angemessener Trauergottesdienst und kein Budenzauber, kein Totenkult. Eine Trauerfeier, in der mein Leben mit dem Wort Gottes zusammen gedacht wird, dem ich mein Leben verdanke und der mich auch im Tode nicht verlässt. Ich sollte ihnen sagen, dass mir zu Lebzeiten immer das gemeinsame Singen Trost spendender Lieder und das Gebet zu Jesus Christus, der auferweckt wurde von den Toten, ganz wichtig war. Wichtiger als irgendwelche Zeitgeister, die schnell wieder vergessen sind, weil sie nicht wirklich tragen – durch das Leben und den Tod hindurch bis in die Ewigkeit.
All diese Veranstaltungen, bei denen ich auch als Verstorbener so im Vordergrund stehe – hier noch ein Foto, dort noch ein Lieblingslied oder die Totenmaske an der Wand – nach meinem Leben ist das Nichts.
Ein Friedhof aber erzählt etwas anderes, er sagt: Nach meinem Leben ist Gott. Schau auf die Engel, sagt er, die hier stehen, in Stein gemeißelt. Es gibt kein Nichts, sagen sie. Es gibt nur Leben und Gott. Und der eine Engel streckt sogar seine Hand aus, als wolle er sagen: Wenn dein Leben einmal vorbei ist, gibt es immer noch Gott. Bei dem bist du dann. Auf ewig. Manchmal ist es einfach gut, über einen Friedhof zu gehen. Man bekommt dort Klarheit für das eigene Leben.