Gedenkort „Jüdisches Leben in Sögel und Umgebung“ soll auch Lernort sein  – Stelen, Begleitbuch und Internetauftritt erinnern an jüdische Gemeinde

Mit einem ergreifenden Festakt, der den Teilnehmenden naheging und sie sichtlich bewegte, wurde der Lern- und Gedenkort „Jüdisches Leben in Sögel und der Region“ vorgestellt. Auf Initiative des Vereins „Forum Sögel“ erinnern jetzt am zweiten Marktplatz 18 Stelen und Informationstafeln an die deportierten jüdischen Familien und die 68 ermordeten Juden der Hümmlinggemeinde. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Osnabrück/Emsland, Michael Grünberg, begrüßte die Zielsetzung des Gedenkortes, brachte aber auch seine Sorge über die erstarkende antisemitische Bewegung zum Ausdruck. 

Im Zentrum von Sögel und an der Stelle, wo der frühere Bahnhof seinen Standort hatte, stellte die Gemeinde ein Grundstück zur Verfügung. Angeordnet im Halbkreis, wurden Stelen in Form nachgeahmter Bahnschwellen, für jede jüdische Familie eine, aufgestellt. Auf den angebrachten Tafeln sind alle Familienmitglieder aufgeführt. Weitere Schautafeln mit allgemeinen Informationen und über an den Stelen angebrachte QR-Codes wird an das jüdische Leben in Sögel und den umliegenden Orten erinnert und weiteres Wissen über die betroffenen Familien vermittelt.  Dabei kommt beispielsweise zum Ausdruck, dass in Sögel in Relation zur Einwohnerzahl der höchste Anteil jüdischer Bürger im Regierungsbezirk wohnte. In einer besonderen Form erinnern die von der Keramikerin Anne Behnen gefertigten 68 Namenstafeln auf einer Bodenplatte vor den Stelen an jeden Einzelnen der ermordeten jüdischen Bürger Sögels.

Zur Betreuung der Gedenkstätte werden künftig Sögeler Schulen mit Unterstützung von Mitgliedern des Forums Patenschaften übernehmen. 

In Ergänzung zu den bereits verlegten Stolpersteinen und dem Synagogen-Denkmal soll der neue Gedenkort nach Angaben des Vereinsvorsitzenden Bernd Eggert auch ein zentraler Lernort sein, an dem Informationen über das jüdische Leben in Sögel und den umliegenden Gemeinden auf moderne Weise anschaulich vermittelt werden. Dazu tragen neben dem aufgelegten umfangreichen Begleitband auch ein gerade freigeschalteter Internetauftritt  – https://www.juedisches-leben-region-soegel.de/ – mit interaktiver Nutzungsmöglichkeit bei. Beides wurde im zweiten Teil derVeranstaltung dann im Heimathaus vorgestellt.

„Zielgruppe seien vor allem auch die Schulen in Sögel, Werlte, Lathen und Börger. Hier werde bereits sehr gute Aufklärungsarbeit geleistet, die jetzt noch intensiver stattfinden könne.“ so Eggert und dankte allen am Projekt Beteiligten, die unter Federführung und nach der Idee von Hermann Wichmann „mit viel Kraft und Geschick“ zur Realisierung beigetragen hätten. Ohne die erhebliche finanzielle Förderung des Projektes von zahlreichen Sponsoren und im Besonderen durch die Emsländische Landschaft wäre alles nicht leistbar gewesen.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Osnabrück/Emsland, Michael Grünberg, der aus Sögel stammt und dessen Vater den Holocaust überlebte, betonte, dass die durch die Gedenkort ergänzte Erinnerungsarbeit an die Shoah sehr wichtig sei. Er bemängelte, dass es Jahrzehnte gedauert habe, bis die Aufarbeitung begonnen habe. Das Thema der Judenverfolgung sei viele Jahre verschwiegen und verdrängt worden, auch in seiner Familie. Dabei seien seine Vorfahren und viele andere jüdischen Familien vor Beginn des NS-Regimes bestens im Gemeindeleben integriert gewesen. Grünberg kritisierte Aussagen von Zeitzeugen, wie „wir wussten nichts, wir haben nichts mitbekommen“. Schließlich habe man beobachten können, wie die Juden mit nur einem Koffer anschließend abtransportiert wurden. Deren Eigentum sei anschließend versteigert und verteilt worden.

Angesichts des bereits Besorgnis erregenden erstarkten Rechtsradikalismus und des damit einhergehenden Antisemitismus mache es ihm Mut, dass Hunderttausende als Zeichen dagegen auf die Straße gingen und die Ausgrenzung der Juden und weiterer Bevölkerungsgruppen protestierten. Grünberg appellierte an die Bevölkerung, weiterhin und noch verstärkt „aufzustehen für die Demokratie und Freiheit“.

 Sowohl Landrat Marc-André Burgdorf als auch Samtgemeinde-Bürgermeister Frank Klaß und Bürgermeister Johannes Völker betonten, dass die Erkenntnisse aus der Vergangenheit die Erinnerungsarbeit noch weiter intensivieren müssten. Man sei auf einem guten Weg, auch durch die Schaffung des Gedenkortes, dürfe aber nicht nachlassen, den bisher eher latenten, sich aber verstärkenden Antisemitismus der Rechtspopulisten und auch in Teilen der islamischen Bevölkerung offensiv zu begegnen.

Zu einer besonderen Stimmung bei der Veranstaltung trugen die von Melanie Korte und Gabi Jansen gekonnt vorgetragenen jüdischenMusikstücke bei.Langanhaltender Beifall bestätigte am Endeder Veranstaltung allen Akteuren, dass die Realisierung des Projektes ein wichtiges Zeichen in dieser Zeit und darüber hinaus sei.

Text und Fotos: Lambert Brand

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