Sögel im Ersten Weltkrieg – Einführung in die Ausstellung
Vortrag Bernd Eggert – Vorsitzender FORUM Sögel e.V:
Anrede / Begrüßung
Bevor wir zur offiziellen Eröffnung unserer Ausstellung „Sögel im Ersten Weltkrieg“ kommen, bitte ich Sie, aus höchst aktuellem Anlass ihr Augenmerk zu richten auf einen ebenfalls bedeutenden Meilenstein deutscher Erinnerungskultur.
In der Nacht zu heute vor 70 Jahren wurden im Innenhof des Bendlerblocks in Berlin Oberst Graf Stauffenberg und weitere Mitverschwörer des deutschen Widerstands erschossen. Das Attentat auf Adolf Hitler und der Umsturzversuch vom Vortage waren gescheitert. Es folgte eine beispiellose Welle von Verhaftungen, von Folter und Hinrichtungen. Lassen Sie uns der mutigen Frauen und Männer des Widerstands gedenken, die das andere Deutschland verkörperten.
Nur drei Jahrzehnte lagen zwischen beiden Ereignissen.
Historische Zusammenhänge und Wechselwirkungen aufzuzeigen, würde den heute gesetzten Rahmen sprengen.
Noch vor wenigen Jahren fand der Erste Weltkrieg kaum mehr Beachtung und galt als Stiefkind der aktuellen historischen Wahrnehmung in Deutschland.
Hundert Jahre nach Beginn dieses so genannten Weltenbrandes hat sich das Thema jedoch zu einem medialen Großereignis entwickelt. In zahllosen Artikeln, auch in der EMS-Zeitung, in Magazinen, neu erschienen Büchern, Fernsehdokumentationen und anderen Medienberichten wird auf die bisweilen so bezeichnete Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts verwiesen.
Von einem Trommelfeuer der Erinnerung wird bereits gesprochen.
So unpassend der gewählte martialisch militärische Begriff in diesem Zusammenhang ist, so wenig trifft manche, nicht jede Berichterstattung auf die Ziele und Motivation des FORUMs zu., diese heute zu eröffnende Ausstellung zu schaffen.
Nicht besondere Kriegsschauplätze, Schlachten, neue Waffen und Technologien sind es, die im Fokus unserer Präsentation stehen, sondern eher – ganz einfach ausgedrückt – die Auswirkungen des Krieges auf unseren Ort Sögel, die Region. und vor allem auf die Menschen, die damals hier lebten.
Bekanntlich ist es eines der Ziele des FORUMs , die hiesige Geschichte, verknüpft mit der Deutschlands und Europas nicht nur anhand von Daten, Zahlen und Fakten zu präsentieren, sondern im Rahmen der historisch-politischen Bildung die Lehren zu verdeutlichen, die wir aus den geschichtlichen Ereignissen ziehen müssen.
Wie konnte es dazu kommen? Welche Faktoren haben dazu geführt? Und entscheidend die Frage: Was haben wir daraus gelernt?
Dahingehend soll auch unser Beitrag lauten für eine zukunftsorientierte Erinnerungskultur.
Erinnerungsarbeit bedeutet nämlich mehr, als das sich wiederholende Totengedenken und die Hinweise, dass Krieg immer grausam ist und Leid und Trauer verursacht.
Im Kern von Erinnerungsarbeit muss die Botschaft stehen, die von dem jeweiligen historischen Anlass – hier dem Kriegsausbruch 1914 – abzuleiten ist.
Etwa: Frieden und Versöhnung sind möglich. Die einstigen so genannten Erbfeinde sind heute trotz aller leidvollen Erfahrungen freundschaftlich miteinander verbunden. Städte- und Schulpartnerschaften, Jugendaustausch usw. haben sich auf regionaler Ebene als bewährte Instrumente erwiesen, die gepflegt, gefördert und ausgebaut gehören. Verständnis und Anerkennung individueller Erfahrungen und Wahrnehmungen bilden die Basis für den Austausch unter den Nationen, respekt- und vertrauensvoll miteinander umzugehen. Auf überstaatlicher politischer Ebene sind es zum Beispiel kollektive Sicherheitsstrukturen und internationale Rechtssysteme, die Kriege verhindern und den Frieden sicherer machen sollen.
Der 1920 als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg gegründete Völkerbund war trotz aller Unzulänglichkeiten ein wichtiger Schritt hin zu den Vereinten Nationen und zur Europäischen Union. Diesen Beispielen könnte man eine Reihe weiterer hinzufügen.
„Geschichte von unten“: so lautet ein Schlagwort, das seit Jahren die Geschichtsdidaktik sowie die museale Präsentation von Geschichte mitprägt. Auch mit dieser Ausstellung haben wir genau dort angesetzt.
Meine Damen und Herren, soweit zu den Hintergründen, der Motivation und dem Rahmen, in den wir diese Ausstellung eingebettet sehen möchten.
Vor circa einem Jahr fand sich ein Arbeitskreis innerhalb des FORUMs zusammen, der sich zur Aufgabe machte, die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf unseren Ort Sögel und die hiesige Region zu analysieren und zu dokumentieren. Schon seinerzeit warf der 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs seine Schatten voraus. So war es unter anderem der Präsident der Emsländischen Landschaft, Hermann Bröring, der in einem Brief an die Gemeinden anregte, sich aktiv einzubringen in die Aufarbeitung der Kriegszeit. Dass dieser zeitliche Vorlauf notwendig war, erwies sich während der Arbeiten mehr als berechtigt.
Zugang zu Quellen zu erhalten, Sammeln, Auswahl und Auswertung vorzunehmen: all das benötigte Zeit und unermüdliches Engagement des Arbeitskreises. Nicht zu vergessen die Transkription der Texte von alter in neue Schrift.
Der Übergang von vorbereitender Recherche hin zur Umsetzung in die Gestaltung von Ausstellung und Begleitbuch erfolgte fließend. Neue Dokumente und Exponate tauchten auf und sollten eingearbeitet werden. Heute können wir stolz und dankbar sein, Ihnen die Ergebnisse präsentieren zu können.
Für die jetzige Veranstaltung haben wir bewusst auf einen Gastvortrag verzichtet. Ebenso, wie Sie feststellen werden, finden Sie in der Ausstellung wie im Buch nur geringfügige Kommentierungen und Erläuterungen nur dort, wo sinnvoll und zweckmäßig. Der Betrachter und Leser soll die Gelegenheit erhalten, die Schicksale der Menschen anhand der Exponate auf sich wirken zu lassen.
Der Quellenband wird nach Ausstellungsende weiter dazu beitragen, die Erinnerung wach zu halten, aufzuklären und zu mahnen. Möglicherweise wird er einmal Bestandteil einer wünschenswerten zukünftigen Sögeler Ortschronik. Die Ausstellung selbst wird für schulische Zwecke später im Mensa-Gebäude unseres Schulzentrums zu sehen sein.
Rechtzeitig zum Erinnerungsanlass konnte die Renovierung des Kriegerdenkmals hier vor dem Ludmillenhof abgeschlossen werden. Nun sind die Namen der Gefallenen wieder lesbar geworden. Dafür und dass wir heute gemeinsam diese Ausstellung im Rathaus eröffnen können, danken wir der Gemeinde Sögel und namentlich Ingrid Cloppenburg für die hervorragende Zusammenarbeit. Dank sagen wir auch den Sponsoren, der Emsländischen Landschaft und der Firma Schomaker-Gartenprodukte für die Förderung des Projekts. Ein besonderer Dank gilt all denen, die durch die Leihgabe der Exponate diese Ausstellung überhaupt erst ermöglicht haben.
Und nun zu den Hauptakteuren:
Zu dem erwähnten Arbeitskreis zählen Heinz Hensen, Herbert Immenga, Josef Klass, Bernhard Rüting und Heiner Wellenbrock. Sie haben mit herausragendem Engagement, hohem Fachverstand und enormem Fleiß die inhaltlichen Grundlagen erarbeitet, die dann gemeinsam unter Federführung von Hermann Wichmann in dessen Ausstellungskonzept mündeten. Lieber Hermann, unter deiner bewährten Hand und mit Unterstützung deines Teams ist es inzwischen die vierte Ausstellung, die gemeinsam von FORUM und Gemeinde hier im Ludmillenhof heute eröffnet wird.
Mit ihrer Kreativität und unermüdlichen Arbeit hat Gisela Henze in hohem Maße zur Gestaltung von Begleitbuch und Ausstellung beigetragen.
Es ist schwer, den Dank an alle Beteiligten in Worte zu fassen. Hand in Hand zusammen zu arbeiten, persönliche Einsatzfreude und große Zeitopfer, das sind die Merkmale des Erfolgsrezepts, um ein derartiges Projekt realisieren zu können. Dafür gilt es allen Beteiligten höchsten Dank und Anerkennung auszusprechen.
Für die musikalische Begleitung heute Abend danken wir Josef Drechsler mit seiner Klarinette.
Meine Damen und Herren, und nun habe ich eine Bitte an Sie: Versetzen wir uns gemeinsam in Gedanken zurück in das Jahr 1914.
Dass Kalenderblatt zeigt den 1. August
Es ist der 34. Tag nach dem tödlichen Attentat auf das österreichische Thronfolgerpaar in Sarajewo. In Berlin tritt der Kaiser auf den Balkon des Stadtschlosses und verkündet den Beginn des Krieges gegen Russland.
O-Ton Kaiser: Kriegserklärung:
Euphorisch folgen ihm viele Deutsche und ziehen mit Hurra in den Krieg. Andere sind zurückhaltend, fügen sich aber ihrem Schicksal.
Unter ihnen ist auch der Sögeler Johannes Hunfeld. Er ist 33 Jahre alt, arbeitet beim Katasteramt in Aurich und wird im 6. August 1914 eingezogen.
Aus seinem Fronteinsatz in Belgien schreibt er im Oktober einen Feldpostbrief an seine Eltern in Sögel:
O-Ton: von … ! gelesen (mit unterlegtem Kriegsgeräusch)
Liebe Eltern
Hier wird eine große Schlacht geschlagen, 10 Kilometer südlich
von Staden. Heute liegen wir 6 Tage und Nächte draußen.
Ich war durch eine Granate verschüttet, bin aber wieder
ausgegraben worden. Tornister und Gewehr verloren, sonst ist es
gut gegangen. Uns fehlen 140 Mann.
Mit Gott Euer Hans
Die anfängliche Begeisterung ist längst dem Schrecken gewichen.
Wie mörderisch der Krieg ist erfahren Millionen Menschen leidvoll an der Front und auch in der Heimat
Das Kalenderblatt zeigt nun den 14. Dezember 1914
Johannes Hunfeld schreibt jetzt von der Front bei Passchendaele
in Flandern einen Weihnachtsgruß nach Hause.
Rita Haarmann (Die Mutter kommt) – hat zwei Briefe in der Hand
Einer ist schon offen – seine letzte Nachricht – Sie beginnt zu erzählen:
Hannes, mein Hannes – wieder nur ein Brief und nicht du bei uns unter dem Weihnachtsbaum.
Dabei hatte ich doch so viel Hoffnung nach deiner letzten Nachricht.
Liebe Eltern
Bin schon wieder südlich von Ostende. Sind von Seebrügge aus
60 Kilometer in 24 Stunden marschiert.
Hier wird schwer gekämpft gegen die Belgier, Franzosen und Engländer
Hoffentlich entscheidet sich die Sache hier im guten.
Dann können wir hoffen, daß wir uns Weihnachten wiedersehen –
und jetzt wieder nur ein Brief !!!
Sie öffnet den Brief- schaut:
– Oh, eine Weihnachtsgedicht.
Und dann liest sie:
Liebe Eltern
Weihnachten 1914 in der stillen heiligen Nacht
Da hielten für unsere Lieben in Feindesland wir Wacht.
Wir sahen in Gedanken die Lieben beim Weihnachtsbaum,
Aber ach wir stehen im Felde und alles ist nur ein Traum.
Hier setzt die Klarinette leise im Hintergrund ein
Möge Gott es uns vergönnen, das bald zu End‘ der Krieg
Dann kehren wir zurück in die Heimat
Und feiern mit Euch den Sieg
In diesem Sinne Frohe Weihnachten, Euer Hannes
Klarinette bricht am Ende des Gedichtes schrill / jäh ab.
Die grausame Wahrheit – es ist die letzte Nachricht an seine Lieben in der Heimat. Johannes Hunfeld wird am 20. Dezember – 6 Tage nach dieser Nachricht – verwundet und stirbt am 22. Dezember im Lazarett in Ostnieuwkerke nach 4 ½ Monaten Kriegseinsatz.
„Er starb fürs Vaterland“ – so steht es auf dem Gedenkblatt – vom Kaiser unterzeichnet .
Die Jahre kommen und gehen: 1915 – 1916 – 1917 … und es ist immer noch Krieg.
Hier möchte ich nun die Einführung beenden.
Danke an Rita Haarmann in der Rolle der Mutter Hunfeld.
Machen sie sich gleich nach dem abschließenden Musikstück selbst ein Bild von unserer Sammlung zu den Kriegsereignissen 1914 – 1918.
Lassen Sie die Exponate auf sich wirken und von den Schicksalen hiesiger Menschen emotional berühren.
Verschaffen sie sich einen persönlichen Eindruck – sozusagen 14 – 18 aus „Sögeler Sicht“ .